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Vom Kriege - title image

Carl von Clausewitz

[Table of Contents]

This website presents a complete German edition of Carl von Clausewitz's classic work on the theory of war, Vom Kriege. It has been posted to The Clausewitz Homepage by Clausewitz.com. For background on Clausewitz, visit our FAQs page.

Zweites Buch:
Über die Theorie des Krieges

Erstes Kapitel: Einteilung der Kriegskunst

Krieg in seiner eigentlichen Bedeutung ist Kampf; denn Kampf ist allein das wirksame Prinzip in der mannigfaltigen Tätigkeit, die man in der weiteren Bedeutung Krieg nennt. Kampf aber ist ein Abmessen der geistigen und körperlichen Kräfte vermittelst der letzteren. Daß man die geistigen nicht ausschließen darf, versteht sich von selbst, denn der Zustand der Seele hat ja den entschiedensten Einfluß auf die körperlichen Kräfte.

Das Bedürfnis des Kampfes hat den Menschen früh zu eigenen Erfindungen geführt, um sich die Vorteile in demselben zuzuwenden; dadurch ist der Kampf sehr verändert worden; wie er aber auch beschaffen sein mag, sein Begriff wird dadurch nicht verändert, und er ist es, der den Krieg ausmacht.

Die Erfindungen sind zunächst Waffen und Ausrüstung der einzelnen Kämpfenden gewesen. Diese müssen geschaffen und eingeübt werden, ehe der Kampf beginnt; sie werden nach der Natur des Kampfes eingerichtet, erhalten also von ihm das Gesetz; aber offenbar ist die Tätigkeit, welche sich damit beschäftigt, eine andere als der Kampf selbst; sie ist nur die Vorbereitung zum Kampf, nicht die Führung desselben. Daß Bewaffnung und Ausrüstung nicht wesentlich zum Begriff des Kampfes gehören, ist klar, denn bloßes Ringen ist auch Kämpfen.

Der Kampf hat die Einrichtung der Waffen und der Ausrüstung bestimmt, und diese modifizieren den Kampf; es ist also Wechselwirkung zwischen beiden.

Aber der Kampf selbst bleibt darum doch eine ganz eigentümliche Tätigkeit, und das um so mehr, als er sich in einem ganz eigentümlichen Element, nämlich in dem Element der Gefahr, bewegt.

Ist also je irgendwo eine Trennung verschiedenartiger Tätigkeiten notwendig, so ist es hier; und wir brauchen, um die praktische Wichtigkeit dieses Gedankens durchschauen zu lassen, nur leise daran zu erinnern, wie oft die tüchtigste Persönlichkeit in dem einen Felde als die unbrauchbarste Pedanterie in dem anderen erschienen ist.

Es ist auch keineswegs schwer, in der Betrachtung die eine Tätigkeit von der anderen zu trennen, wenn man die bewaffnete und ausgerüstete Streitkraft als gegebene Mittel betrachtet, von denen man, um sie zweckmäßig zu gebrauchen, nichts zu kennen braucht als ihre Hauptresultate.

Die Kriegskunst im eigentlichen Sinn wird also die Kunst sein, sich der gegebenen Mittel im Kampf zu bedienen, und wir können sie nicht besser als mit dem Namen Kriegführung bezeichnen. Dagegen werden allerdings zur Kriegskunst im weiteren Sinne auch alle Tätigkeiten gehören, die um seinetwillen da sind, also die ganze Schöpfung, d. i. Aushebung, Bewaffnung, Ausrüstung und Übung der Streitkräfte.

Es ist für die Realität einer Theorie höchst wesentlich, diese beiden Tätigkeiten zu trennen, denn es ist leicht einzusehen, daß, wenn jede Kriegskunst mit der Einrichtung der Streitkräfte anfangen und diese für die Kriegführung, so wie sie dieselben angegeben, bedingen wollte, sie nur auf die wenigen Fälle anwendbar sein könnte, wo die vorhandenen Streitkräfte dem gerade entsprächen. Will man dagegen eine Theorie haben, die für die große Mehrheit der Fälle geeignet, für keinen aber ganz unbrauchbar sei, so muß sie auf die große Mehrheit der gewöhnlichen Streitmittel und bei diesen auch auf die wesentlichsten Resultate gebaut sein.

Die Kriegführung nun ist also die Anordnung und Führung des Kampfes. Wäre dieser Kampf ein einzelner Akt, so würde kein Grund zu einer weiteren Einteilung sein; allein der Kampf besteht aus einer mehr oder weniger großen Zahl einzelner, in sich geschlossener Akte, die wir Gefechte nennen, wie wir das im ersten Kapitel des ersten Buches gezeigt haben, und die neue Einheiten bilden. Daraus entspringt nun die ganz verschiedene Tätigkeit, diese Gefechte in sich anzuordnen und zuführen und sie unter sich zum Zweck des Krieges zu verbinden. Das eine ist die Taktik, das andere die Strategie genannt worden.

Die Einteilung in Taktik und Strategie ist jetzt im Gebrauch fast allgemein, und jeder weiß ziemlich bestimmt, wohin er ein einzelnes Faktum stellen soll, ohne daß er sich des Einteilungsgrundes klar bewußt ist. Wo aber solche Einteilungen vom Gebrauch dunkel befolgt werden, müssen sie einen tiefen Grund für sich haben. Diesen Grund haben wir aufgesucht, und wir können sagen, daß es eben der Gebrauch der Majorität ist, der uns zu ihm geführt hat. Dagegen müssen wir die von einzelnen Schriftstellern versuchten willkürlichen, nicht aus der Natur der Sache genommenen Feststellungen des Begriffs eben darum nicht gefaßt haben, auch als nicht im Gebrauch vorhanden betrachten.'

Es ist also nach unserer Einteilung die Taktik die Lehre vom Gebrauch der Streitkräfte im Gefecht, die Strategie die Lehre vom Gebrauch der Gefechte zum Zweck des Krieges.

Wie sich der Begriff des einzelnen oder selbständigen Gefechts näher bestimmt, an welche Bedingungen diese Einheit gebunden ist, werden wir erst ganz deutlich machen können, wenn wir das Gefecht näher betrachten; jetzt müssen wir uns begnügen zu sagen, daß in Beziehung auf den Raum, also unter gleichzeitigen Gefechten, die Einheit gerade so weit reicht wie der persönliche Befehl, in Beziehung auf die Zeit aber, also unter Gefechten, die einander nahe folgen, so weit, bis die Krise, welche jedes Gefecht hat, ganz vorüber ist.

Daß hier zweifelhafte Fälle vorkommen können, nämlich solche, wo mehrere Gefechte auch allenfalls als ein einziges betrachtet werden können, wird unserem Einteilungsgrunde nicht zum Vorwurf gereichen, denn das hat er mit allen Einteilungsgründen wirklicher Dinge gemein, deren Verschiedenheiten immer durch abstufende Übergänge vermittelt sind. Es kann also allerdings einzelne Tätigkeitsakte geben, die ebensogut, und zwar ohne Veränderung des Gesichtspunktes, zur Strategie als zur Taktik zu zählen sind, z. B. sehr ausgedehnte Stellungen, die einer Postierung ähnlich werden, die Anordnung mancher Flußübergänge usw.

Unsere Einteilung trifft und erschöpft nur den Gebrauch der Streitkräfte. Nun gibt es aber im Kriege eine Menge von Tätigkeiten, die ihm dienen, aber von ihm doch verschieden, ihm bald näher verwandt, bald fremdartiger sind. Diese Tätigkeiten alle beziehen sich auf die Erhaltung der Streitkräfte. So wie die Schaffung und Ausbildung dem Gebrauch vorhergeht, so bleibt ihre Erhaltung demselben zur Seite und ist eine notwendige Bedingung. Genau betrachtet aber sind alle Tätigkeiten, die sich darauf beziehen, immer als Vorbereitungen zum Kampf zu betrachten, nur freilich als solche, die der Handlung sehr nahe liegen, so daß sie den kriegerischen Akt mit durchziehen und mit dem Gebrauch abwechselnd vorkommen. Man hat also ein Recht, sie wie die anderen vorbereitenden Tätigkeiten von der Kriegskunst im engeren Sinn, von der eigentlichen Kriegführung, auszuschließen, und man ist dazu genötigt, wenn man die Hauptaufgabe jeder Theorie, die Trennung des Ungleichartigen, erfüllen will. Wer wollte die ganze Litanei der Verpflegung und Administration zur eigentlichen Kriegführung zählen, da sie mit dem Gebrauch der Truppen zwar in beständiger Wechselwirkung steht, aber etwas wesentlich Verschiedenes davon ist!

Wir haben in unserem zweiten Kapitel des ersten Buches gesagt, daß, indem der Kampf oder das Gefecht als die einzige unmittelbar wirksame Tätigkeit bestimmt wird, die Fäden aller anderen, weil sie sich in ihm endigen, mit aufgenommen werden. Hiermit haben wir ausdrücken wollen, daß allen anderen dadurch der Zweck gestellt wird, welchen sie nun nach ihren eigentümlichen Gesetzen zu erreichen suchen. Hier müssen wir uns über diesen Gegenstand näher auslassen.

Die Gegenstände der noch außer dem Gefecht vorhandenen Tätigkeiten sind sehr verschiedener Natur.

Der eine Teil gehört in einer Beziehung dem Kampf selbst noch an, ist identisch mit demselben, während er in einer anderen der Erhaltung der Streitkräfte dient. Der andere Teil gehört bloß der Erhaltung an und hat nur wegen der Wechselwirkung mit seinen Resultaten einen bedingenden Einfluß auf den Kampf.

Diejenigen Gegenstände, welche in einer Beziehung dem Kampfe selbst noch angehören, sind Märsche, Lager und Quartiere, denn sie begreifen ebenso viele verschiedene Zustände der Truppen, und wo Truppen gedacht werden, muß immer die Idee des Gefechts vorhanden sein.

Die anderen, welche nur der Erhaltung angehören, sind Ernährung, Krankenpflege, Waffen- und Ausrüstungsersatz.

Die Märsche sind mit dem Gebrauch der Truppen ganz identisch. Der Marsch im Gefecht, gewöhnlich Evolution genannt, ist zwar noch nicht eigentlicher Waffengebrauch, aber er ist so innig und notwendig damit verbunden, daß er einen integrierenden Teil dessen ausmacht, was wir Gefecht nennen. Der Marsch außer dem Gefecht ist aber nichts als die Ausführung der strategischen Bestimmung. Durch diese wird gesagt, wann, wo und mit welcher Streitkraft ein Gefecht gegeben werden soll, und dies zur Ausführung zu bringen, ist der Marsch das einzige Mittel.

Der Marsch außer dem Gefecht ist also ein strategisches Instrument, aber darum nicht bloß ein Gegenstand der Strategie, sondern, weil die Streitkraft, die ihn ausführt, in jedem Augenblick ein mögliches Gefecht konstituiert, so steht auch seine Ausführung unter taktischen und strategischen Gesetzen. Wenn wir einer Kolonne den Weg diesseits des Flusses oder Gebirgsarmes vorschreiben, so ist das eine strategische Bestimmung, denn es liegt darin die Absicht, dem Gegner, wenn während des Marsches ein Gefecht nötig werden sollte, dasselbe lieber diesseits als jenseits anzubieten.

Wenn aber eine Kolonne, statt im Tale der Straße zu folgen, auf dem sie begleitenden Höhenrücken fortzieht oder sich des bequemen Aufmarsches wegen in mehrere kleine Kolonnen spaltet, so sind das taktische Bestimmungen, denn sie beziehen sich auf die Art, wie wir im vorkommenden Gefecht unsere Streitkräfte brauchen wollen.

Die innere Ordnung des Marsches hat eine konstante Beziehung zur Gefechtsbereitschaft, ist also taktischer Natur, denn sie ist ja nichts anderes als die erste vorläufige Disposition zu dem Gefechte, welches vorkommen könnte.

Da der Marsch das Instrument ist, durch welches die Strategie ihre wirksamen Prinzipe, die Gefechte, verteilt, diese aber oft bloß mit ihrem Resultat und nicht mit ihrem faktischen Verlauf eintreten, so hat es nicht fehlen können, daß man in der Betrachtung oft das Instrument an die Stelle des wirksamen Prinzips gesetzt hat. So spricht man von entscheidenden, von gelehrten Märschen und meint diejenigen Gefechtskombinationen, zu denen sie geführt haben. Diese Substitution der Vorstellungen ist zu natürlich und die Kürze des Ausdrucks zu wünschenswert, um sie zu verdrängen, aber immer ist es nur eine zusammengeschobene Vorstellungsreihe, bei der man nicht versäumen muß, sich das Gehörige zu denken, wenn man nicht auf Abwege geraten will.

Ein solcher Abweg ist es, wenn den strategischen Kombinationen eine von den taktischen Erfolgen unabhängige Kraft zugeschrieben wird. Man kombiniert Märsche und Manöver, erreicht seinen Zweck, und es ist von keinem Gefecht dabei die Rede, woraus man schließt, daß es Mittel gibt, den Feind auch ohne Gefecht zu überwinden. Wir werden erst in der Folge die ganze folgenreiche Größe dieses Irrtums zeigen können.

Aber wenngleich der Marsch vollkommen als ein integrierender Teil des Kampfes betrachtet werden kann, so gibt es doch auch in ihm schon gewisse Beziehungen, die nicht dazu gehören, also weder taktisch noch strategisch sind. Dahin gehören alle Einrichtungen, welche bloß zur Bequemlichkeit der Truppen dienen, die Ausführung von Brücken- und Wegebau usw. Dies sind bloße Bedingungen, sie können unter manchen Umständen dem Gebrauch der Truppen sehr nahetreten und sich fast mit demselben identifizieren, wie der Bau einer Brücke unter den Augen des Feindes; aber an sich sind es immer fremdartige Tätigkeiten, deren Theorie nicht in die Theorie der Kriegführung gehört.

Lager, worunter wir jede versammelte, also schlachtfertige Aufstellung der Truppen begreifen, im Gegensatze der Quartiere, sind ein Zustand der Ruhe, also der Erholung, aber sie sind auch zugleich die strategische Feststellung eines Gefechts an der Stelle, wo sie genommen werden; durch die Art aber, wie sie genommen werden, enthalten sie schon die Grundlinie des Gefechts, eine Bedingung, von der jedes Verteidigungsgefecht ausgeht; sie sind also wesentliche Teile der Strategie und Taktik.

Quartiere vertreten zu besserer Erquickung der Truppen die Stelle der Lager; sie sind also wie jene der Lage und Ausdehnung nach strategische, der auf die Gefechtsbereitschaft gerichteten inneren Einrichtung nach taktische Gegenstände.

Der Zweck der Lager und Quartiere ist freilich neben der Erholung der Truppen gewöhnlich auch noch ein anderer, z. B. die Deckung einer Gegend, die Behauptung einer Stellung; aber er kann sehr wohl bloß der erstere sein. Wir erinnern uns, daß die Zwecke, welche die Strategie verfolgt, eine sehr große Mannigfaltigkeit haben können, denn alles, was als ein Vorteil erscheint, kann der Zweck eines Gefechts sein, und die Erhaltung des Instruments, mit dem man den Krieg führt, muß notwendig sehr häufig der Zweck ihrer einzelnen Kombination werden.

Wenn also in einem solchen Falle die Strategie der bloßen Erhaltung der Truppen dient, so befinden wir uns dadurch nicht etwa in einem fremden Felde, sondern wir sind immer beim Gebrauch der Streitkraft, weil jede Aufstellung derselben auf irgendeinem Punkte des Kriegstheaters ein solcher ist. Wenn aber die Erhaltung der Truppen ín Lagern und Quartieren Tätigkeiten hervorruft, die kein Gebrauch der Streitkräfte sind, wie der Bau der Hütten, das Aufschlagen der Zelte, der Verpflegungs- und Reinlichkeitsdienst im Lager und Quartier, so gehört das weder zur Strategie noch Taktik.

Selbst Verschanzungen, deren Lage und Einrichtung ganz offenbar ein Teil der Gefechtsdisposition sind, also taktische Gegenstände, gehören doch für die Ausführung ihres Baues nicht zur Theorie der Kriegführung, sondern die dahin gehörigen Kenntnisse und Fertigkeiten müssen der ausgebildeten Streitkraft schon innewohnen; die Gefechtslehre setzt sie voraus.

Von den Gegenständen, welche der bloßen Erhaltung der Streitkraft angehören, weil keiner ihrer Teile sich mit dem Gefecht identifiziert, steht die Ernährung der Truppen demselben doch am nächsten, weil sie fast täglich und für jedes Individuum tätig sein muß. So geschieht es, daß sie den kriegerischen Akt in seinen strategischen Bestandteilen ganz durchdringt. Wir sagen: in seinen strategischen Bestandteilen, weil innerhalb des einzelnen Gefechts die Ernährung der Truppen höchst selten einen den Plan modifizierenden Einfluß haben wird, wenngleich der Fall doch auch denkbar genug bleibt. Die meiste Wechselwirkung wird also zwischen der Strategie und der Sorge für den Unterhalt der Streitkräfte eintreten, und es ist nichts gewöhnlicher, als daß die Rücksicht auf diese Unterhalt die strategischen Hauptlineamente eines Feldzuges und Krieges mitbestimmt.

Wie entscheidend und wie häufig diese Rücksichten auch sein mögen, der Unterhaltsbetrieb der Truppen bleibt immer eine von dem Gebrauch derselben wesentlich verschiedene Tätigkeit, die nur mit ihren Resultaten darauf Einfluß hat.

Viel entfernter stehen dem Gebrauch der Truppen die anderen von uns genannten Gegenstände administrativer Tätigkeit. Die Krankenpflege, so höchst wichtig sie für das Wohl eines Heeres ist, trifft doch dasselbe nur immer in einem kleinen Teil seiner Individuen und hat daher nur einen sehr schwachen und mittelbaren Einfluß auf den Gebrauch der übrigen; die Ergänzung der Ausrüstungsgegenstände tritt, insofern sie nicht schon durch den Organismus der Streitkräfte eine ihnen innewohnende fortlaufende Tätigkeit hat, nur periodisch ein und wird also auch bei den strategischen Entwürfen nur selten zur Sprache kommen.

Wir müssen uns aber hier vor einem Mißverständnis bewahren. Im einzelnen Fall können faktisch diese Gegenstände von entscheidender Wichtigkeit sein. Die Entfernung der Hospitäler und Munitionsvorräte kann sehr füglich als der einzige Grund für sehr wichtige strategische Entscheidungen gedacht werden; das wollten wir weder in Abrede noch in den Schatten stellen. Wir sprechen aber nicht von dem faktischen Verhältnis des einzelnen Falles, sondern von dem Abstrakten der Theorie, und unsere Behauptung ist also: daß ein solcher Einfluß zu selten ist, um der Theorie der Krankenpflege und der Munitions- und Waffenergänzung eine Wichtigkeit für die Theorie des Kriegführens zu geben, es also der Mühe wert erscheinen zu lassen, die verschiedenen Wege und Systeme, welche jene Theorien angeben möchten, mit ihren Resultaten in der Theorie des Kriegführens mit aufzunehmen, wie das mit der Ernährung der Truppen allerdings der Fall ist.

Werden wir uns jetzt des Resultates unserer Betrachtungen noch einmal deutlich bewußt, so zerfallen die dem Kriege angehörigen Tätigkeiten in zwei Hauptabteilungen: solche, die nur Vorbereitungen zum Kriege sind, und in den Krieg selbst. Diese Einteilung muß denn auch die Theorie treffen.

Die Kenntnisse und Fertigkeiten der Vorbereitungen werden sich mit der Schaffung, Ausbildung und Erhaltung aller Streitkräfte beschäftigen. Welchen allgemeinen Namen man ihnen geben will, lassen wir dahingestellt sein, aber man sieht, daß Artillerie, Befestigungskunst, sogenannte Elementartaktik, die ganze Organisation und Administration der Streitkräfte und alle ähnlichen Dinge dahin gehören. Die Theorie des Krieges selbst aber beschäftigt sich mit dem Gebrauch dieser ausgebildeten Mittel für den Zweck des Krieges. Sie bedarf von den ersteren nur die Resultate: nämlich die Kenntnis der von ihr übernommenen Mittel nach ihren Haupteigenschaften.

Diese nennen wir Kriegskunst im engeren Sinn oder Theorie des Kriegführens oder Theorie des Gebrauches der Streitkräfte, welches alles für uns dieselbe Sache bezeichnet.

Diese Theorie wird also das Gefecht abhandeln als den eigentlichen Kampf, die Märsche, Lager und Quartiere als Zustände, die mehr oder weniger damit identisch sind. Den Unterhalt der Truppen aber wird sie nicht wie eine ihr angehörige Tätigkeit, sondern seinen Resultaten nach wie andere gegebene Umstände in Betracht ziehen.

Diese Kriegskunst im engeren Sinn zerfällt nun wieder selbst in Taktik und Strategie. Jene beschäftigt sich mit der Gestalt des einzelnen Gefechts, diese mit seinem Gebrauch. Beide berühren die Zustände von Märschen, Lagern und Quartieren nur durch das Gefecht, und diese Gegenstände werden also taktisch oder strategisch, je nachdem sie sich auf die Gestalt oder auf die Bedeutung des Gefechts beziehen.

Gewiß wird es viele Leser geben, die diese sorgfältige Unterscheidung von zwei einander so nahe liegenden Dingen wie Taktik und Strategie für sehr überflüssig halten, weil sie auf das Kriegführen selbst keinen unmittelbaren Einfluß hat. Freilich müßte man ein großer Pedant sein, um von einer theoretischen Einteilung die unmittelbaren Wirkungen auf dem Schlachtfelde zu suchen.

Das erste Geschäft einer jeden Theorie ist das Aufräumen der durcheinander geworfenen und, man kann wohl sagen, sehr ineinander verfilzten Begriffe und Vorstellungen; und erst, wenn man sich über Namen und Begriffe verständigt hat, darf man hoffen, in der Betrachtung der Dinge mit Klarheit und Leichtigkeit vorzuschreiten, darf man gewiß sein, sich mit dem Leser immer auf demselben Standpunkt zu befinden. Taktik und Strategie sind zwei in Raum und Zeit sich einander durchdringende, aber doch wesentlich verschiedene Tätigkeiten, deren innere Gesetze und deren Verhältnis zueinander schlechterdings nicht deutlich gedacht werden können, ohne ihren Begriff genau festzustellen.

Wem dies alles nichts ist, der muß entweder gar keine theoretische Betrachtung gestatten, oder seinem Verstande müssen die verworrenen und verwirrenden, auf keinen festen Punkt gestützten, zu keinem ruhigen Resultat gelangenden, bald platten, bald phantastischen, bald in leerer Allgemeinheit schwimmenden Vorstellungen noch nicht weh getan haben, die wir über die eigentliche Kriegführung deswegen so oft hören und lesen müssen, weil noch selten ein Geist wissenschaftlicher Untersuchung auf diesem Gegenstand geruht hat.

Zweites Kapitel: Über die Theorie des Krieges

Zuerst verstand man unter Kriegskunst nur die Zubereitung der Streitkräfte

Man hatte früher unter dem Namen von Kriegskunst oder Kriegswissenschaften immer nur die Gesamtheit derjenigen Kenntnisse und Fertigkeiten verstanden, welche sich mit den materiellen Dingen beschäftigen. Die Einrichtung und Zubereitung und der Gebrauch der Waffen, der Bau von Festungen und Schanzen, der Organismus des Heeres und der Mechanismus seiner Bewegungen waren die Gegenstände dieser Kenntnisse und Fertigkeiten, und sie führten alle zur Darstellung einer im Krieg brauchbaren Streitkraft. Hier hatte man es mit einem materiellen Stoff, mit einer einseitigen Tätigkeit zu tun, es war im Grunde nichts als eine sich nach und nach vom Handwerk zu einer verfeinerten mechanischen Kunst erhebende Tätigkeit. Dies alles verhielt sich zum Kampf selbst nicht viel anders wie die Kunst des Schwertfegers zur Fechtkunst. Von dem Gebrauch im Augenblick der Gefahr und unter beständiger Wechselwirkung, von den eigentlichen Bewegungen des Geistes und Mutes in der ihnen angelegten Richtung war noch nicht die Rede.

In der Belagerungskunst kommt zuerst der Krieg selbst vor

In der Belagerungskunst zuerst war etwas von der Führung des Kampfes selbst, von der Bewegung des Geistes, dem diese Materien übergeben sind, sichtbar, aber meistens nur insofern er sich in neuen materiellen Gegenständen schnell verkörperte, wie Approchen, Trancheen, Kontreapprochen, Batterien usw., und jeden seiner Schritte durch ein solches Produkt bezeichnete; es war nur der Faden, dessen man bedurfte, um diese materiellen Schöpfungen damit anzureihen. Da sich bei dieser Art von Krieg der Geist fast nur in solchen Dingen ausspricht, so war der Sache damit ziemlich Genüge geschehen.

Dann streifte die Taktik bis dahin

Später versuchte es die Taktik, in den Mechanismus ihrer Zusammenfügungen den Charakter einer allgemeinen, auf die Eigentümlichkeiten des Instrumentes gebauten Disposition zu legen, welcher freilich schon auf das Schlachtfeld führte, aber nicht zu freier Geistestätigkeit, sondern mit einem durch Formation und Schlachtordnung zu einem Automat umgeschaffenen Heer, welches, durch das bloße Kommandowort angestoßen, seine Tätigkeit wie ein Uhrwerk abwickeln sollte.

Das eigentliche Kriegführen kam nur gelegentlich inkognito vor

Das eigentliche Kriegführen, der freie, d. h. den individuellsten Bedürfnissen angepaßte Gebrauch der zubereiteten Mittel, glaubte man, könne kein Gegenstand der Theorie sein, sondern dies müßte allein den natürlichen Anlagen überlassen bleiben. Nach und nach, wie der Krieg aus dem Faustkampf des Mittelalters in eine regelmäßigere und zusammengesetztere Gestalt überging, drängten sich zwar auch über diesen Gegenstand dem menschlichen Geist einzelne Betrachtungen auf, sie kamen aber meistens nur in Memoiren und Erzählungen beiläufig und gewissermaßen inkognito vor.

Die Betrachtungen über Kriegsbegebenheiten führten das Bedürfnis einer Theorie herbei

Als diese Betrachtungen sich immer mehr häuften, die Geschichte immer mehr den kritischen Charakter annahm, entstand das lebhafte Bedürfnis nach einem Anhalt von Grundsätzen und Regeln, damit in der der Kriegsgeschichte so natürlichen Kontroverse der Kampf der Meinungen zu irgendeinem Ziel gebracht werden könne. Dieser Wirbel der Meinungen, der sich um keinen festen Punkt und nach keinem fühlbaren Gesetz drehte, mußte dem menschlichen Geist eine widerwärtige Erscheinung sein.

Bestreben, eine positive Lehre aufzustellen

Es entstand also das Bestreben, Grundsätze, Regeln oder gar Systeme für die Kriegführung anzugeben. Hiermit setzte man sich einen positiven Zweck, ohne die unendlichen Schwierigkeiten gehörig ins Auge gefaßt zu haben, die die Kriegführung in dieser Beziehung hat. Die Kriegführung verläuft sich, wie wir das gezeigt haben, fast nach allen Seiten hin in unbestimmte Grenzen; jedes System, jedes Lehrgebäude aber hat die beschränkende Natur einer Synthesis, und damit ist ein nie auszugleichender Widerspruch zwischen einer solchen Theorie und der Praxis gegeben.

Beschränkung auf materielle Gegenstände

Die Theorienschreiber aber fühlten die Schwierigkeit des Gegenstandes früh genug und glaubten sich berechtigt, ihr dadurch aus dem Wege zu treten, daß sie ihre Grundsätze und Systeme wieder nur auf materielle Dinge und eine einseitige Tätigkeit richteten. Man wollte, wie in den Wissenschaften der Kriegsvorbereitung, auf lauter gewisse und positive Resultate kommen und also auch nur das in Betrachtung ziehen, was einer Berechnung unterworfen werden konnte.

Überlegenheit der Zahl

Die Überlegenheit der Zahl war ein materieller Gegenstand, man wählte unter allen Faktoren im Produkt eines Sieges diesen heraus, weil man ihn durch Kombination von Zeit und Raum in eine mathematische Gesetzgebung bringen konnte. Von allen übrigen Umständen glaubte man abstrahieren zu können, indem man sich dieselben auf beiden Seiten gleich und dadurch neutralisiert dachte. Dies wäre schon recht gewesen, wenn man es einstweilen hätte tun wollen, um diesen einen Faktor seinen Verhältnissen nach kennenzulernen; aber es für immer zu tun, die Überlegenheit der Zahl für das einzige Gesetz zu halten und in der Formel: in gewisser Zeit auf gewissen Punkten eine Überlegenheit hinzubringen das ganze Geheimnis der Kriegskunst zu sehen, war eine gegen die Macht des wirklichen Lebens ganz unhaltbare Beschränkung.

Unterhalt der Truppen

Noch ein anderes materielles Element wurde in einer theoretischen Behandlung zu systematisieren versucht, indem man den Unterhalt der Truppen, auf einen gewissen vorausgesetzten Organismus des Heeres gestützt, zum Hauptgesetzgeber der großen Kriegführung machte. Man gelangte auf diese Weise freilich wieder zu bestimmten Zahlen, aber zu Zahlen, die auf einer Menge ganz willkürlicher Voraussetzungen beruhten und also in der Erfahrung nicht Stich halten konnten.

Basis

Ein witziger Kopf versuchte eine ganze Menge von Umständen, zwischen denen auch sogar einige geistige Beziehungen mit unterliefen: die Ernährung des Heeres, die Ergänzung desselben und seiner Ausrüstungsmittel, die Sicherheit seiner Nachrichtenverbindung mit dem Vaterlande, endlich die Sicherheit seines Rückzuges, im Fall er nötig würde, in einem einzigen Begriff, den der Basis, zusammenzufassen und zuerst diesen Begriff allen jenen einzelnen Beziehungen, dann aber wieder die Größe (Ausdehnung) der Basis ihr selbst und zuletzt den Winkel, welchen die Streitkraft mit dieser Basis macht, der Größe der Basis zu substituieren; und dies alles bloß, um auf ein rein geometrisches Resultat zu kommen, was ganz ohne Wert ist. Dies letztere ist in der Tat nicht zu verwundern, wenn man bedenkt, daß keine jener Substitutionen gemacht werden konnte, ohne die Wahrheit zu verletzen und einen Teil der Dinge auszulassen, die in dem früheren Begriff noch enthalten waren. Der Begriff der Basis ist der Strategie ein wirkliches Bedürfnis, und es ist ein Verdienst, darauf gekommen zu sein; aber ein solcher Gebrauch desselben, wie wir ihn eben bezeichnet haben, ist vollkommen unzulässig und mußte zu ganz einseitigen Resultaten führen, die diesen Theoretiker sogar in eine ganz widersinnige Richtung fortgetrieben haben, nämlich zu der überlegenen Wirkung der umfassenden Form.

Innere Linien

Als Reaktion gegen diese falsche Richtung ist dann ein anderes geometrisches Prinzip, nämlich das der sogenannten inneren Linien, auf den Thron gehoben worden. Ob nun gleich dies Prinzip sich auf einen guten Grund stützt, auf die Wahrheit, daß das Gefecht das einzige wirksame Mittel im Kriege ist: so ist es doch, eben wegen seiner bloß geometrischen Natur, nichts als eine neue Einseitigkeit, welche nimmermehr dahin gelangen konnte, das wirkliche Leben zu beherrschen.

Alle diese Versuche sind verwerflich

Alle diese Theorieversuche sind nur in ihrem analytischen Teil als Fortschritte in dem Gebiet der Wahrheit zu betrachten, in dem synthetischen Teil aber, in ihren Vorschriften und Regeln, ganz unbrauchbar.

Sie streben nach bestimmten Größen, während im Kriege alles unbestimmt ist und der Kalkül mit lauter veränderlichen Größen gemacht werden mußte.

Sie richten die Betrachtung nur auf materielle Größen, während der ganze kriegerische Akt von geistigen Kräften und Wirkungen durchzogen ist.

Sie betrachten nur die einseitige Tätigkeit, während der Krieg eine beständige Wechselwirkung der gegenseitigen ist.

Sie schließen das Genie von der Regel aus

Alles, was von solcher dürftigen Weisheit einer einseitigen Betrachtung nicht erreicht werden konnte, lag außer der wissenschaftlichen Einhegung, war das Feld des Genies, welches sich über die Regel erhebt.

Wehe dem Krieger, der zwischen diesem Betteltum von Regeln herumkriechen sollte, die für das Genie zu schlecht sind, über die es sich vornehm hinwegsetzen, über die es sich auch allenfalls lustig machen kann! Was das Genie tut, muß gerade die schönste Regel sein, und die Theorie kann nichts Besseres tun, als zu zeigen, wie und warum es so ist.

Wehe der Theorie, die sich mit dem Geiste in Opposition stellt; sie kann diesen Widerspruch durch keine Demut gutmachen, und je demütiger sie ist, um so mehr wird Spott und Verachtung sie aus dem wirklichen Leben verdrängen.

Schwierigkeit der Theorie, sobald geistige Größen in Betracht kommen

Jede Theorie wird von dem Augenblick an unendlich viel schwieriger, wie sie das Gebiet geistiger Größen berührt. Baukunst und Malerei wissen genau, woran sie sind, solange sie noch mit der Materie zu tun haben; über mechanische und optische Konstruktionen ist kein Streit. Sowie aber die geistigen Wirkungen ihrer Schöpfungen anfangen, sowie geistige Eindrücke oder Gefühle hervorgebracht werden sollen, verschwimmt die ganze Gesetzgebung in unbestimmte Ideen. Die Arzneikunst ist meistens nur mit körperlichen Erscheinungen beschäftigt, sie hat es mit dem tierischen Organismus zu tun, der, ewigen Veränderungen unterworfen, in zwei Momenten nie genau derselbe ist; das macht ihre Aufgabe sehr schwierig und stellt das Urteil des Arztes schon höher als sein Wissen; aber wieviel schwieriger ist der Fall, wenn eine geistige Wirkung hinzukommt, und wieviel höher stellt man den Seelenarzt!

Die geistigen Größen können im Kriege nicht ausgeschlossen werden

Nun ist aber die kriegerische Tätigkeit nie gegen die bloße Materie gerichtet, sondern immer zugleich gegen die geistige Kraft, welche diese Materie belebt, und beide voneinander zu trennen ist ganz unmöglich.

Die geistigen Größen aber sieht man nur mit dem inneren Auge, und dieses ist in jedem Menschen anders und oft verschieden in verschiedenen Augenblicken. Da die Gefahr das allgemeine Element ist, in dem sich im Kriege alles bewegt, so ist es auch vorzüglich der Mut, das Gefühl der eigenen Kraft, wodurch das Urteil anders bestimmt wird. Es ist gewissermaßen die Kristallinse, durch welche die Vorstellungen gehen, ehe sie den Verstand treffen. Und doch kann man nicht zweifeln, daß diese Dinge schon durch die bloße Erfahrung einen gewissen objektiven Wert bekommen müssen. Jeder kennt die moralischen Wirkungen des Überfalls, des Seiten- und Rückenangriffs, jeder schätzt den Mut des Gegners geringer, sobald er den Rücken gewandt hat, und wagt ganz anders beim Verfolgen als beim Verfolgtwerden. Jeder beurteilt den Gegner nach dem Ruf seiner Talente, nach seinen Jahren und seiner Erfahrung und richtet sich danach. Jeder tut einen prüfenden Blick auf den Geist und die Stimmung seiner und der feindlichen Truppen. Alle diese und ähnliche Wirkungen im Gebiet der geistigen Natur haben sich in der Erfahrung erwiesen, sind immer wiedergekehrt und berechtigen dadurch, sie in ihrer Art als wirkliche Größen gelten zu lassen. Und was sollte wohl aus einer Theorie werden, in der man sie unbeachtet lassen wollte?

Aber freilich ist die Erfahrung ein notwendiger Stammbrief dieser Wahrheiten. Mit psychologischen und philosophischen Klügeleien soll keine Theorie sich befassen und kein Feldherr sich versuchen.

Hauptschwierigkeiten der Theorie des Kriegführens

Um die Schwierigkeit der Aufgabe, welche in einer Theorie der Kriegführung enthalten ist, deutlich zu übersehen und daraus den Charakter ableiten zu können, den eine solche Theorie haben muß, müssen wir auf die Haupteigentümlichkeiten, welche die Natur der kriegerischen Tätigkeit ausmachen, einen näheren Blick werfen.

Erste Eigentümlichkeit: geistige Kräfte und Wirkungen (Das feindselige Gefühl)

Die erste dieser Eigentümlichkeiten besteht in den geistigen Kräften und Wirkungen.

Kampf ist ursprünglich die Äußerung feindseliger Gefühle; es wird aber allerdings in unseren großen Kämpfen, die wir Krieg nennen, aus dem feindseligen Gefühl häufig nur eine feindselige Absicht, und es pflegt dem einzelnen wenigstens kein feindseliges Gefühl gegen den einzelnen beizuwohnen. Nichtsdestoweniger geht es nie ohne eine solche Gemütstätigkeit ab. Der Nationalhaß, an dem es auch bei unseren Kriegen selten fehlt, vertritt bei dem einzelnen gegen den einzelnen mehr oder weniger stark die individuelle Feindschaft. Wo aber auch dieser fehlt und anfangs keine Erbitterung war, entzündet sich das feindselige Gefühl an dem Kampfe selbst, denn eine Gewaltsamkeit, die jemand auf höhere Weisung an uns verübt, wird uns zur Vergeltung und Rache gegen ihn entflammen, früher noch, ehe wir es gegen die höhere Gewalt sein werden, die ihm gebietet, so zu handeln. Dies ist menschlich oder auch tierisch, wenn man will, aber es ist so. - Man ist in den Theorien sehr gewohnt, den Kampf wie ein abstraktes Abmessen der Kräfte ohne allen Anteil des Gemüts zu betrachten, und das ist einer der tausend Irrtümer, die die Theorien ganz absichtlich begehen, weil sie die Folgen davon nicht einsehen.

Außer jener in der Natur des Kampfes selbst gegründeten Anregung der Gemütskräfte gibt es noch andere, die nicht wesentlich dazu gehören, aber sich der Verwandtschaft wegen leicht damit verbinden, wie Ehrgeiz, Herrschsucht, Begeisterung jeder Art usw.

Die Eindrücke der Gefahr (Der Mut)

Endlich gebiert der Kampf das Element der Gefahr, in welchem sich alle kriegerischen Tätigkeiten wie der Vogel in der Luft und der Fisch im Wasser erhalten und bewegen müssen. Die Wirkungen der Gefahr gehen aber alle auf das Gemüt entweder unmittelbar, also instinktmäßig, oder durch den Verstand. Die erstere würde das Bestreben sein, sich ihr zu entziehen, und, insofern dies nicht geschehen kann, Furcht und Angst. Wenn diese Wirkung nicht entsteht, so ist es der Mut, welcher jenem Instinkt das Gleichgewicht hält. Der Mut aber ist keineswegs ein Akt des Verstandes, sondern ebenfalls ein Gefühl wie die Furcht; diese ist auf die physische Erhaltung, der Mut auf die moralische gerichtet. Der Mut ist ein edlerer Instinkt. Weil er aber das ist, so läßt er sich nicht wie ein lebloses Instrument gebrauchen, was seine Wirkungen im genau vorgeschriebenen Maße äußert. Der Mut ist also kein bloßes Gegengewicht der Gefahr, um diese in ihren Wirkungen zu neutralisieren, sondern eine eigentümliche Größe.

Umfang des Einflusses, welchen die Gefahr übt

Um aber den Einfluß der Gefahr auf die im Kriege Handelnden richtig zu würdigen, muß man ihren Bereich nicht auf die physische Gefahr des Augenblickes beschränken. Sie beherrscht den Handelnden nicht bloß, indem sie ihn bedroht, sondern auch durch die Bedrohung aller ihm Anvertrauten; nicht bloß in dem Augenblick, wo sie wirklich vorhanden ist, sondern durch die Vorstellung auch in allen anderen, die zu diesem Augenblick eine Beziehung haben; endlich nicht bloß unmittelbar durch sich selbst, sondern auch mittelbar durch die Verantwortlichkeit, die sie mit zehnfachem Gewicht auf dem Geist des Handelnden lasten läßt. Wer könnte eine große Schlacht anraten oder beschließen, ohne daß der Geist sich mehr oder weniger gespannt und betroffen fühlte von der Gefahr und Verantwortlichkeit, die ein solcher großer Entscheidungsakt in sich trägt. Man kann sagen, daß das Handeln im Kriege, insofern es ein wirkliches Handeln, nicht ein bloßes Dasein ist, nie ganz aus dem Bereich der Gefahr hinaustritt.

Andere Gemütskräfte

Wenn wir diese durch Feindschaft und Gefahr aufgeregten Gemütskräfte als dem Kriege eigentümlich betrachten, so schließen wir alle anderen den Menschen auf seinem Lebenswege begleitenden nicht davon aus; sie werden auch hier häufig genug Platz finden. Zwar darf man sagen, daß manches kleinliche Spiel der Leidenschaften in diesem ernsten Dienst des Lebens zum Schweigen gebracht wird, doch gilt dies nur von den Handelnden der niederen Regionen, die, von einer Gefahr und Anstrengung zur anderen fortgerissen, die übrigen Dinge des Lebens aus den Augen verlieren, sich der Falschheit entwöhnen, weil der Tod sie nicht gelten läßt, und so zu jener soldatischen Einfachheit des Charakters kommen, die immer der beste Repräsentant des Kriegerstandes gewesen ist. - In den höheren Regionen ist es anders, denn je höher einer steht, um so mehr muß er um sich sehen; da entstehen denn Interessen nach allen Seiten und ein mannigfaltiges Spiel der Leidenschaften, der guten und bösen. Neid und Edelsinn, Hochmut und Bescheidenheit, Zorn und Rührung, alle können als wirksame Kräfte in dem großen Drama erscheinen.

Eigentümlichkeit des Geistes

Die Eigentümlichkeiten des Geistes in dem Handelnden sind neben denen des Gemütes gleichfalls von einem hohen Einfluß. Andere Dinge darf man erwarten von einem phantastischen, überspannten, unreifen Kopf als von einem kalten und kräftigen Verstande.

Aus der Mannigfaltigkeit der geistigen Individualität entspringt aber die Mannigfaltigkeit der Wege, die zum Ziel führen

Diese große Mannigfaltigkeit in der geistigen Individualität, deren Einfluß man sich vorzüglich in den höheren Stellen denken muß, weil er nach oben hin zunimmt, ist es vorzüglich, welche die von uns schon im ersten Buche ausgesprochene Mannigfaltigkeit der Wege zum Ziel hervorbringt und dem Spiel mit Wahrscheinlichkeit und Glück einen so ungleichen Anteil an den Begebenheiten zuteilt.

Zweite Eigentümlichkeit: lebendige Reaktion

Die zweite Eigentümlichkeit im kriegerischen Handeln ist die lebendige Reaktion und die Wechselwirkung, welche daraus entspringt. Wir sprechen hier nicht von der Schwierigkeit, eine solche Reaktion zu berechnen, denn diese liegt schon in der erwähnten Schwierigkeit, die geistigen Kräfte als Größen zu behandeln, sondern weil die Wechselwirkung ihrer Natur nach alter Planmäßigkeit entgegenstrebt. Die Wirkung, welche irgendeine Maßregel auf den Gegner hervorbringt, ist das Individuellste, was es unter allen Datis des Handelns gibt; jede Theorie aber muß sich an Klassen von Erscheinungen halten, und niemals kann sie den eigentlichen individuellen Fall in sich aufnehmen; dieser bleibt überall dem Urteil und Talent anheimgegeben. Es ist also natürlich, daß ein Handeln wie das kriegerische, was so häufig in seinem auf allgemeine Umstände gebauten Plan durch unerwartete individuelle Erscheinungen gestört ist, überhaupt mehr dem Talent überlassen bleiben muß und von einer theoretischen Anweisung weniger Gebrauch machen kann wie jedes andere.

Dritte Eigentümlichkeit: Ungewißheit aller Datis

Endlich ist die große Ungewißheit aller Datis im Kriege eine eigentümliche Schwierigkeit, weil alles Handeln gewissermaßen in einem bloßen Dämmerlicht verrichtet wird, was noch dazu nicht selten wie eine Nebel- oder Mondscheinbeleuchtung den Dingen einen übertriebenen Umfang, ein groteskes Ansehen gibt. Was diese schwache Beleuchtung an vollkommener Einsicht entbehren läßt, muß das Talent erraten, oder es muß dem Glück überlassen bleiben. Es ist also wieder das Talent oder gar die Gunst des Zufalls, welchen in Ermangelung einer objektiven Weisheit vertraut werden muß.

Eine positive Lehre ist unmöglich

Bei dieser Natur des Gegenstandes müssen wir uns sagen, daß es eine reine Unmöglichkeit wäre, die Kriegskunst durch ein positives Lehrgebäude wie mit einem Gerüst versehen zu wollen, welches dem Handelnden überall einen äußeren Anhalt gewähren könnte. Der Handelnde würde sich in allen jenen Fällen, wo er auf sein Talent verwiesen ist, außer diesem Lehrgebäude und mit ihm im Widerspruch befinden, und es würde, wie vielseitig dasselbe auch aufgefaßt sein möchte, immer dieselbe Folge wieder eintreten, von der wir schon gesprochen haben: daß das Talent und Genie außer dem Gesetz handelt und die Theorie ein Gegensatz der Wirklichkeit wird.

Auswege für die Möglichkeit einer Theorie (Die Schwierigkeiten sind nicht überall gleich groß)

Aus dieser Schwierigkeit öffnen sich uns zwei Auswege.

Zuerst ist das, was wir von der Natur der kriegerischen Tätigkeit im allgemeinen gesagt haben, nicht auf dieselbe Weise von der Tätigkeit einer jeden Stelle zu verstehen. Nach unten hin wird der Mut persönlicher Aufopferung mehr in Anspruch genommen, aber für den Verstand und das Urteil sind die Schwierigkeiten unendlich viel geringer. Das Feld der Erscheinungen ist viel geschlossener, Zwecke und Mittel sind in der Zahl beschränkter, die Data bestimmter, meistens sogar in wirklichen Anschauungen enthalten. Je weiter wir aber hinaufsteigen, um so mehr nehmen die Schwierigkeiten zu, bis sie im obersten Feldherrn ihren höchsten Grad erreichen, so daß bei ihm fast alles dem Genius überlassen bleiben muß.

Aber auch nach einer sächlichen Einteilung des Gegenstandes sind die Schwierigkeiten nicht überall dieselben, sondern nehmen ab, je mehr die Wirkungen sich in der materiellen Welt äußern, und zu, je mehr sie in die geistige übergehen und zu Motiven werden, die den Willen bestimmen. Darum ist es leichter, die innere Ordnung, die Anlage und Führung eines Gefechts durch eine theoretische Gesetzgebung zu bestimmen als den Gebrauch desselben. Dort ringen die physischen Waffen miteinander, und wenn der Geist auch darin nicht fehlen kann, so muß doch der Materie ihr Recht gelassen werden. In der Wirkung der Gefechte aber, wo die materiellen Erfolge zu Motiven werden, hat man es nur mit der geistigen Natur zu tun. Mit einem Wort: die Taktik wird viel weniger Schwierigkeiten einer Theorie haben als die Strategie.

Die Theorie soll eine Betrachtung und keine Lehre sein

Der zweite Ausweg für die Möglichkeit einer Theorie ist der Gesichtspunkt, daß sie nicht notwendig eine positive Lehre, d. i. Anweisung zum Handeln, zu sein braucht. Überall, wo eine Tätigkeit es größtenteils immer wieder mit denselben Dingen zu tun hat, mit denselben Zwecken und Mitteln, wenn auch mit kleinen Veränderungen und wenn auch in einer noch so großen Mannigfaltigkeit der Kombination, müssen diese Dinge ein Gegenstand vernünftiger Betrachtung werden können. Eine solche Betrachtung aber ist eben der wesentlichste Teil jeder Theorie und hat auf diesen Namen ganz eigentlich Anspruch. Sie ist eine analytische Untersuchung des Gegenstandes, führt zu einer genauen Bekanntschaft, und wenn sie auf die Erfahrung, also in unserem Fall auf die Kriegsgeschichte angewendet wird, zur Vertrautheit mit demselben. Je mehr sie diesen letzten Zweck erreicht, um so mehr geht sie aus der objektiven Gestalt eines Wissens in die subjektive eines Könnens über, und um so mehr wird sie sich also auch da wirksam zeigen, wo die Natur der Sache keine andere Entscheidung als die des Talents zuläßt; sie wird in ihm selbst wirksam werden.

Untersucht die Theorie die Gegenstände, welche den Krieg ausmachen, unterscheidet sie schärfer, was auf den ersten Blick zusammenzufließen scheint, gibt sie die Eigenschaften der Mittel vollständig an, zeigt sie die wahrscheinlichen Wirkungen derselben, bestimmt sie klar die Natur der Zwecke, trägt sie überall das Licht einer verweilenden kritischen Betrachtung in das Feld des Krieges, so hat sie den Hauptgegenstand ihrer Aufgabe erfüllt. Sie wird dann demjenigen ein Führer, der sich mit dem Kriege aus Büchern vertraut machen will; sie hellt ihm überall den Weg auf, erleichtert seine Schritte, erzieht sein Urteil und bewahrt ihn vor Abwegen.

Wenn ein Sachverständiger sein halbes Leben darauf verwendet, einen dunkeln Gegenstand überall aufzuklären, so wird er wohl weiter kommen als derjenige, welcher in kurzer Zeit damit vertraut sein will. Daß also nicht jeder von neuem aufzuräumen und sich durchzuarbeiten habe, sondern die Sache geordnet und gelichtet finde, dazu ist die Theorie vorhanden. Sie soll den Geist des künftigen Führers im Kriege erziehen oder vielmehr ihn bei seiner Selbsterziehung leiten, nicht aber ihn auf das Schlachtfeld begleiten; so wie ein weiser Erzieher die Geistesentwicklung eines Jünglings lenkt und erleichtert, ohne ihn darum das ganze Leben hindurch am Gängelbande zu führen.

Bilden sich aus den Betrachtungen, welche die Theorie anstellt, von selbst Grundsätze und Regeln, schießt die Wahrheit von selbst in diese Kristallform zusammen, so wird die Theorie diesem Naturgesetz des Geistes nicht widerstreben, sie wird vielmehr, wo sich der Bogen in einem solchen Schlußstein endigt, diesen noch hervorheben. Aber sie tut dies nur, um dem philosophischen Gesetz des Denkens zu genügen, um den Punkt deutlich zu machen, nach welchem die Linien alle hinlaufen, nicht um daraus eine algebraische Formel für das Schlachtfeld zu bilden; denn auch diese Grundsätze und Regeln sollen in dem denkenden Geiste mehr die Hauptlineamente seiner eingewohnten Bewegungen bestimmen als ihm in der Ausführung den Weg gleich Meßstangen bezeichnen.

Mit diesem Gesichtspunkt wird die Theorie möglich, und ihr Widerspruch mit der Praxis hört auf

Mit diesem Gesichtspunkt wird die Möglichkeit einer befriedigenden, d. h. einer nützlichen und niemals mit der Wirklichkeit in Widerspruch tretenden Theorie der Kriegführung gegeben, und es wird nur von der verständigen Behandlung abhängen, sie mit dem Handeln so zu befreunden, daß der widersinnige Unterschied zwischen Theorie und Praxis ganz verschwinde, den oft eine unvernünftige Theorie hervorgerufen, und womit sie sich von dem gesunden Menschenverstand losgesagt hat, den aber ebensooft Beschränktheit des Geistes und Unwissenheit als Vorwand gebraucht hat, um sich in der angeborenen Ungeschicklichkeit recht gehen zu lassen.

Die Theorie betrachtet also die Natur der Zwecke und Mittel. Zweck und Mittel in der Taktik

Die Theorie hat also die Natur der Mittel und Zwecke zu betrachten.

In der Taktik sind die Mittel die ausgebildeten Streitkräfte, welche den Kampf führen sollen. Der Zweck ist der Sieg. Wie dieser Begriff näher bestimmt werden kann, wird sich in der Folge, bei der Betrachtung des Gefechts, besser sagen lassen. Wir begnügen uns hier, den Abzug des Gegners vom Kampfplatz als das Zeichen des Sieges anzugeben. Vermittelst dieses Sieges erreicht die Strategie den Zweck, welchen sie dem Gefecht gegeben hat, und der eine eigentliche Bedeutung ausmacht. Diese Bedeutung hat auf die Natur des Sieges allerdings einigen Einfluß. Ein Sieg, welcher darauf gerichtet ist, die feindliche Streitkraft zu schwächen, ist etwas anderes als einer, der uns bloß in den Besitz einer Stellung bringen soll. Er wird also die Bedeutung eines Gefechts auf die Anlage und Führung desselben einen merklichen Einfluß haben können. Es werden also diese Bedeutungen auch ein Gegenstand der Betrachtung für die Taktik sein.

Umstände, welche die Anwendung der Mittel immer begleiten

Da es gewisse Umstände gibt, welche das Gefecht immerwährend begleiten und mehr oder weniger Einfluß darauf haben, so müssen diese bei der Anwendung der Streitkräfte mit in Betrachtung gezogen werden.

Diese Umstände sind die Örtlichkeit (das Terrain), die Tageszeit und das Wetter.

Örtlichkeit

Die Örtlichkeit, welche wir lieber in die Vorstellung von Gegend und Boden auflösen wollen, könnte, strenge genommen, ohne Einfluß sein, wenn das Gefecht in einer vollkommenen und ganz unbebauten Ebene geliefert würde.

In Steppengegenden kommt der Fall wirklich vor, in den Gegenden des gebildeten Europas ist er fast nur eine eingebildete Vorstellung. Es ist also zwischen den gebildeten Völkern kaum ein Gefecht ohne Einfluß von Gegend und Boden denkbar.

Tageszeit

Die Tageszeit wirkt auf das Gefecht durch den Unterschied von Tag und Nacht, aber die Beziehungen reichen natürlich weiter als gerade bis an die Grenze beider, weil jedes Gefecht eine gewisse Dauer hat, und die großen sogar eine Dauer von vielen Stunden. Für die Anlage einer großen Schlacht macht es einen wesentlichen Unterschied, ob sie am Morgen oder Nachmittag anfängt. Indessen wird es allerdings eine Menge Gefechte geben, wo sich der Umstand der Tageszeit als ganz gleichgültig verhält, und in der Allgemeinheit der Fälle ist der Einfluß desselben nur gering.

Wetter

Noch seltener wird das Wetter von einem bestimmenden Einfluß, und meistens ist es nur durch den Nebel, daß es eine Rolle spielt.

Zwecke und Mittel in der Strategie

Die Strategie hat ursprünglich nur den Sieg, d. h. den taktischen Erfolg, als Mittel und, in letzter Instanz, die Gegenstände, welche unmittelbar zum Frieden führen sollen, als Zweck. Die Anwendung ihres Mittels zu diesen Zwecken ist gleichfalls von Umständen begleitet, die mehr oder weniger Einfluß darauf haben.

Umstände, welche die Anwendung der Mittel begleiten

Diese Umstände sind Gegend und Boden, aber die erstere zugleich erweitert zu Land und Volk des ganzen Kriegstheaters; die Tageszeit, aber auch zugleich die Jahreszeit; endlich das Wetter, und zwar durch ungewöhnliche Erscheinungen desselben, großer Frost usw.

Sie bilden neue Mittel

Indem die Strategie diese Dinge mit dem Erfolg eines Gefechts in Verbindung bringt, gibt sie diesem Erfolge und also dem Gefecht eine besondere Bedeutung, setzt ihm einen besonderen Zweck. Insofern aber dieser Zweck nicht der ist, welcher unmittelbar zum Frieden führen soll, also nur ein untergeordneter, ist er auch als Mittel zu betrachten, und wir können also das Mittel in der Strategie die Gefechtserfolge oder Siege in allen ihren verschiedenen Bedeutungen betrachten. Die Eroberung einer Stellung ist ein solcher auf das Terrain angewendeter Gefechtserfolg. Aber nicht bloß die einzelnen Gefechte mit besonderen Zwecken sind als Mittel zu betrachten, sondern auch jede höhere Einheit, welche sich in der Kombination der Gefechte durch die Richtung auf einen gemeinschaftlichen Zweck bilden möchte, ist als ein Mittel zu betrachten. Ein Winterfeldzug ist eine solche auf die Jahreszeit angewendete Kombination.

Es bleiben also an Zwecken nur diejenigen Gegenstände übrig, die als unmittelbar zum Frieden führend gedacht sind. Alle diese Zwecke und Mittel untersucht die Theorie nach der Natur ihrer Wirkungen und ihrer gegenseitigen Beziehungen.

Die Strategie entnimmt die zu untersuchenden Mittel und Zwecke nur aus der Erfahrung

Die erste Frage ist, wie sie zu einer erschöpfenden Aufzählung dieser Gegenstände gelangt. Sollte eine philosophische Untersuchung zu einem notwendigen Resultat führen, so würde sie sich in alle Schwierigkeiten verwickeln, die die logische Notwendigkeit von der Kriegführung und ihrer Theorie ausschließen. Sie wendet sich also an die Erfahrung und richtet ihre Betrachtung auf diejenigen Kombinationen, welche die Kriegsgeschichte schon aufzuweisen hat. Auf diese Weise wird sie freilich eine beschränkte Theorie sein, die nur auf Verhältnisse paßt, wie die Kriegsgeschichte sie darbietet. Aber diese Beschränkung ist ja auch schon darum unvermeidlich, weil die Theorie in jedem Fall das, was sie von den Dingen aussagt, entweder aus der Kriegsgeschichte abstrahiert oder wenigstens mit ihr verglichen haben muß. Übrigens ist eine solche Beschränkung in jedem Fall mehr eine dem Begriff als der Sache nach.

Ein großer Vorteil dieses Weges wird darin bestehen, daß die Theorie sich nicht in Grübeleien, Spitzfindigkeiten und Hirngespinsten verlieren kann, sondern praktisch bleiben muß.

Wie weit die Analyse der Mittel gehen muß

Eine andere Frage ist, wie weit die Theorie in ihrer Analyse der Mittel gehen soll. Offenbar nur so weit, als die abgesonderten Eigenschaften beim Gebrauch in Betrachtung kommen. Die Schußweite und Wirkung der verschiedenen Waffen ist der Taktik höchst wichtig; ihre Konstruktion, obgleich jene Wirkungen daraus hervorgehen, höchst gleichgültig; denn der Kriegführung sind nicht Kohlen, Schwefel und Salpeter, Kupfer und Zinn gegeben, um daraus Pulver und Kanonen zu machen, sondern die fertige Waffe mit ihrer Wirkung ist das Gegebene. Die Strategie macht Gebrauch von Karten, ohne sich um trigonometrische Vermessungen zu bekümmern; sie untersucht nicht, wie ein Land eingerichtet, ein Volk erzogen und regiert werden muß, um die besten kriegerischen Erfolge zu geben, sondern sie nimmt diese Dinge, wie sie in der europäischen Staatengesellschaft angetroffen werden, und macht darauf aufmerksam, wo sehr verschiedene Zustände einen merklichen Einfluß auf den Krieg haben.

Große Vereinfachung des Wissens

Daß auf diese Weise für die Theorie die Zahl der Gegenstände sehr vereinfacht und das für die Kriegführung erforderliche Wissen sehr beschränkt wird, ist leicht einzusehen. Die sehr große Masse von Kenntnissen und Fertigkeiten, die der kriegerischen Tätigkeit im allgemeinen dienen, und die nötig werden, ehe nur ein ausgerüstetes Heer ins Feld rücken kann, drängen sich in wenige große Resultate zusammen, ehe sie dazu kommen, im Kriege den endlichen Zweck ihrer Tätigkeit zu erreichen: so wie die Gewässer des Landes sich in Ströme vereinigen, ehe sie ins Meer kommen. Nur diese, sich unmittelbar ins Meer des Krieges ergießenden Tätigkeiten hat derjenige kennenzulernen, welcher sie leiten will.

Sie erklärt das schnelle Ausbilden großer Feldherren, und warum ein Feldherr kein Gelehrter ist

In der Tat ist dieses Resultat unserer Betrachtung ein so notwendiges, daß jedes andere uns mißtrauisch gegen ihre Richtigkeit machen müßte. Nur so erklärt es sich, wie so oft Männer im Kriege, und zwar in den höheren Stellen, selbst als Feldherren, mit großem Erfolg aufgetreten sind, die früher eine ganz andere Richtung ihrer Tätigkeit hatten; ja wie überhaupt die ausgezeichneten Feldherren niemals aus der Klasse vielwissender oder gar gelehrter Offiziere hervorgegangen sind, sondern meistens ihrer ganzen Lage nach auf keine große Summe des Wissens eingerichtet sein konnten. Darum sind auch diejenigen immer im Recht als lächerliche Pedanten verspottet worden, die für die Erziehung eines künftigen Feldherrn nötig oder auch nur nützlich hielten, mit der Kenntnis alter Details anzufangen. Es läßt sich ohne große Mühe beweisen, daß sie ihm schaden wird, weil der menschliche Geist durch die ihm mitgeteilten Kenntnisse und Ideenrichtungen erzogen wird. Nur das Große kann ihn großartig, das Kleine nur kleinlich machen, wenn er es nicht wie etwas ihm Fremdes ganz von sich stößt.

Früherer Widerspruch

Weil man diese Einfachheit des im Kriege erforderlichen Wissens nicht beachtet, sondern dieses Wissen immer mit dem ganzen Troß dienender Kenntnisse und Fertigkeiten zusammengeworfen hat, so hat man auch den offenbaren Widerspruch, in den man mit den Erscheinungen der wirklichen Welt geriet, nicht anders lösen können, als daß man alles dem Genie zuschrieb, welches keiner Theorie bedarf, und für welches die Theorie nicht geschrieben sein sollte.

Man leugnete deshalb den Nutzen alles Wissens und schrieb alles der natürlichen Anlage zu

Die Leute, bei denen der Mutterwitz die Oberhand behielt, fühlen wohl, welch ein ungeheurer Abstand immer noch zwischen einem Genie des höchsten Fluges und einem gelehrten Pedanten auszufüllen bliebe, und diese kamen zu einer Art von Freigeisterei, indem sie allen Glauben an die Theorie von sich wiesen und das Kriegführen für eine natürliche Funktion des Menschen hielten, die er mehr oder weniger gut machte, nur nachdem er mehr oder weniger Anlagen dazu mit auf die Welt gebracht. Es ist nicht zu leugnen, daß diese der Wahrheit näher standen als die, welche den Wert auf ein falsches Wissen legten; indessen sieht man einer solchen Ansicht bald an, daß sie nichts als ein übertriebener Ausdruck ist. Keine Tätigkeit des menschlichen Verstandes ist ohne einen gewissen Reichtum von Vorstellungen möglich, diese aber werden ihm, wenigstens dem größten Teil nach, nicht angeboren, sondern erworben und machen sein Wissen aus. Es frägt sich also nur, welcher Art diese Vorstellungen sein sollen, und das glauben wir bestimmt zu haben, wenn wir sagen, daß sie für den Krieger auf die Dinge gerichtet sein sollen, mit denen er im Kriege unmittelbar zu tun hat.

Das Wissen muß sich nach der Stelle richten

Innerhalb dieses Feldes der kriegerischen Tätigkeit selbst werden sie verschieden sein müssen nach dem Stand, den er einnimmt; auf geringere und beschränktere Gegenstände gerichtet, wenn er niedriger, auf größere und umfassendere, wenn er höher steht. Es gibt Feldherren, die an der Spitze eines Reiterregiments nicht geglänzt haben würden, und umgekehrt.

Das Wissen im Kriege ist sehr einfach, aber nicht zugleich sehr leicht

Dadurch aber, daß das Wissen im Kriege so einfach ist, nämlich auf so wenig Gegenstände gerichtet, und diese immer nur in ihren Endresultaten auffassend, dadurch wird das Können nicht zugleich sehr leicht. Welchen Schwierigkeiten das Handeln im Kriege überhaupt unterworfen ist, davon haben wir schon im ersten Buch gesprochen; wir übergehen hier diejenigen, die nur durch den Mut überwunden werden können, und behaupten, daß auch die eigentliche Tätigkeit des Verstandes nur in den niedrigen Stellen einfach und leicht ist, mit den Stellen aber an Schwierigkeit steigt und in der höchsten Stelle, in der des Feldherrn, zu den schwierigsten gehört, die es für den menschlichen Geist gibt.

Wie das Wissen beschaffen sein muß

Der Feldherr braucht weder ein gelehrter Staats-, noch Geschichtsforscher, noch Publizist zu sein, aber er muß mit dem höheren Staatsleben vertraut sein, die eingewohnten Richtungen, die aufgeregten Interessen, die vorliegenden Fragen, die handelnden Personen kennen und richtig ansehen; er braucht kein feiner Menschenbeobachter, kein haarscharfer Zergliederer des menschlichen Charakters zu sein, aber er muß den Charakter, die Denkungsart und Sitte, die eigentümlichen Fehler und Vorzüge derer kennen, denen er befehlen soll. Er braucht nichts von der Einrichtung eines Fuhrwerks, der Anspannung eines Geschützes zu verstehen, aber er muß den Marsch einer Kolonne seiner Dauer nach unter den verschiedenen Umständen richtig zu schätzen wissen.

Alle diese Kenntnisse lassen sich nicht durch den Apparat wissenschaftlicher Formeln und Maschinerien erzwingen, sondern sie erwerben sich nur, wenn in der Betrachtung der Dinge und im Leben ein treffendes Urteil, wenn ein nach dieser Auffassung hingerichtetes Talent tätig ist.

Das einer hochgestellten kriegerischen Tätigkeit nötige Wissen zeichnet sich also dadurch aus, daß es in der Betrachtung, also in Studium und Nachdenken, nur durch ein eigentümliches Talent erworben werden kann, was, wie die Biene den Honig aus der Blume, als ein geistiger Instinkt aus den Erscheinungen des Lebens nur den Geist zu ziehen versteht; und daß es neben Betrachtung und Studium auch durch das Leben zu erwerben ist. Das Leben mit seiner reichen Belehrung wird niemals einen Newton oder Euler hervorbringen, wohl aber den höheren Kalkül eines Condé oder Friedrich.

Es ist also nicht nötig, daß man, um die Geisteswürde der kriegerischen Tätigkeit zu retten, seine Zuflucht nehme zur Unwahrheit und zu einfältiger Pedanterie. Es hat nie einen ausgezeichneten Feldherrn beschränkten Geistes gegeben, und sehr zahlreich sind die Fälle, wo Männer, die in geringeren Stellen mit der höchsten Auszeichnung gedient hatten, in der höchsten unter dem Mittelmäßigen blieben, weil die Fähigkeiten ihres Geistes nicht zureichten. Daß auch selbst unter den Feldherrnstellen wieder ein Unterschied gemacht werden kann nach dem Grad ihrer Machtvollkommenheit, versteht sich von selbst.

Das Wissen muß ein Können werden

Wir haben jetzt noch einer Bedingung zu gedenken, welche für das Wissen der Kriegführung dringender ist als für irgendein anderes: daß es nämlich ganz in den Geist übergehen und fast ganz aufhören muß, etwas Objektives zu sein. Fast in allen anderen Künsten und Tätigkeiten des Lebens kann der Handelnde von Wahrheiten Gebrauch machen, die er nur einmal kennengelernt hat, in deren Geist und Sinn er nicht mehr lebt, und die er aus bestaubten Büchern wieder hervorzieht. Selbst Wahrheiten, die er täglich unter Händen hat und gebraucht, können etwas ganz außer ihm Befindliches bleiben. Wenn der Baumeister die Feder zur Hand nimmt, um die Stärke eines Widerlagers durch einen verwickelten Kalkül zu bestimmen, so ist die als Resultat gefundene Wahrheit keine Äußerung seines eigenen Geistes. Er hat sich die Data erst mit Mühe heraussuchen müssen und diese dann einer Verstandesoperation überlassen, deren Gesetze er nicht erfunden hat, und deren Notwendigkeit er sich zum Teil in dem Augenblick nicht einmal bewußt ist, sondern die er großenteils wie mechanische Handgriffe anwendet. So ist es aber im Kriege nie. Die geistige Reaktion, die ewig wechselnde Gestalt der Dinge macht, daß der Handelnde den ganzen Geistesapparat seines Wissens in sich tragen, daß er fähig sein muß, überall und mit jedem Pulsschlag die erforderliche Entscheidung aus sich selbst zu geben. Das Wissen muß sich also durch diese vollkommene Assimilation mit dem eigenen Geist und Leben in ein wahres Können verwandeln. Dies ist der Grund, warum es bei den im Kriege ausgezeichneten Männern so leicht vorkommt, und alles dem natürlichen Talent zugeschrieben wird; wir sagen: dem natürlichen Talent, um es dadurch von dem durch Betrachtung und Studium erzogenen und ausgebildeten zu unterscheiden.

Wir glauben durch diese Betrachtung die Aufgabe einer Theorie der Kriegführung deutlich gemacht und die Art ihrer Lösung angedeutet zu haben.

Von den beiden Feldern, in welche wir das Kriegführen geteilt haben, der Taktik und Strategie, hat, wie wir schon bemerkt haben, die Theorie der letzteren unstreitig die größeren Schwierigkeiten, weil die erstere fast ein geschlossenes Feld der Gegenstände hat, die letztere aber sich nach der Seite der unmittelbar zum Frieden führenden Zwecke in ein unbestimmtes Gebiet von Möglichkeiten öffnet. Weil es aber hauptsächlich nur der Feldherr ist, welcher diese Zwecke ins Auge zu fassen hat, so ist auch vorzugsweise derjenige Teil der Strategie, in welchem er sich bewegt, dieser Schwierigkeit unterworfen. Es wird also die Theorie in der Strategie, und besonders da, wo sie die höchsten Bestimmungen umfaßt, noch viel mehr als in der Taktik bei der bloßen Betrachtung und Untersuchung der Dinge stehenbleiben und sich begnügen, dem Handelnden zu jener Einsicht der Dinge zu verhelfen, die, in sein ganzes Denken verschmolzen, seinen Gang leichter und sicherer macht, ihn nie zwingt, von sich selbst zu scheiden, um einer objektiven Wahrheit gehorsam zu sein.

Drittes Kapitel: Kriegskunst oder Kriegswissenschaft

(Der Sprachgebrauch ist noch uneinig (Können und Wissen. Wissenschaft, wo bloßes Wissen; Kunst, wo Können der Zweck ist.)

Man scheint mit der Wahl immer noch nicht entschieden zu sein und nicht recht zu wissen, aus welchen Gründen entschieden werden soll, so einfach die Sache auch ist. Wir haben schon anderswo gesagt, daß Wissen etwas anderes sei als Können. Beides ist voneinander so verschieden, daß es nicht leicht verwechselt werden sollte. Das Können kann eigentlich in keinem Buche stehen, und so sollte Kunst auch nie der Titel eines Buches sein. Weil man sich aber einmal gewöhnt hat, die zur Übung einer Kunst erforderlichen Kenntnisse (die einzeln völlige Wissenschaften sein können) unter dem Namen Kunsttheorie oder schlechtweg Kunst zusammenzufassen, so ist es konsequent, diesen Einteilungsgrund durchzuführen und alles Kunst zu nennen, wo ein hervorbringendes Können der Zweck ist, z. B. Baukunst; Wissenschaft, wo bloßes Wissen der Zweck ist, Mathematik, Astronomie. Daß in jeder Kunsttheorie einzelne, vollkommene Wissenschaften vorkommen können, versteht sich also von selbst und darf uns nicht irremachen. Bemerkenswert aber ist noch, daß es auch kein Wissen ganz ohne Kunst gibt, in der Mathematik z. B. ist das Rechnen und der Gebrauch der Algebra eine Kunst, aber hier ist noch lange die Grenze nicht. Die Ursache ist: so grob und fühlbar der Unterschied zwischen Wissen und Können in den zusammengesetzten Produkten der menschlichen Kenntnisse auch ist, so schwer sind beide in dem Menschen selbst bis zu einer völligen Teilung zu verfolgen.

Schwierigkeit, das Erkennen vom Urteil zu sondern (Kriegskunst)

Alles Denken ist ja Kunst. Wo der Logiker den Strich zieht, wo die Vordersätze aufhören, die ein Resultat der Erkenntnis sind, wo das Urteil anfängt: da fängt die Kunst an. Aber nicht genug: selbst das Erkennen des Geistes ist ja schon wieder Urteil und folglich Kunst, und am Ende auch wohl das Erkennen durch die Sinne. Mit einem Wort: wenn sich ein menschliches Wesen mit bloßem Erkenntnisvermögen ohne Urteil ebensowenig als umgekehrt denken läßt, so können auch Kunst und Wissen nie ganz rein voneinander geschieden werden. Je mehr sich diese feinen Lichtelemente an den Außengestalten der Welt verkörpern, um so getrennter wird ihr Reich; und nun noch einmal: wo Schaffen und Hervorbringen der Zweck ist, da ist das Gebiet der Kunst; die Wissenschaft herrscht, wo Erforschen und Wissen das Ziel ist. - Nach allem dem ergibt sich von selbst, daß es passender sei, Kriegskunst als Kriegswissenschaft zu sagen.

Soviel hiervon, weil man diese Begriffe nicht entbehren kann. Nun aber treten wir mit der Behauptung auf, daß der Krieg weder eine Kunst noch eine Wissenschaft sei in der eigentlichen Bedeutung, und daß gerade dieser Anfangspunkt der Vorstellungen, von welchem man ausgegangen ist, in eine falsche Richtung geführt, eine unwillkürliche Gleichstellung des Krieges mit anderen Künsten oder Wissenschaften und eine Menge unrichtiger Analogien veranlaßt hat.

Man hat dies schon früher gefühlt und deswegen behauptet, der Krieg sei ein Handwerk; damit war aber mehr verloren als gewonnen, denn ein Handwerk ist nur eine niedrigere Kunst und unterliegt als solche auch bestimmteren und engeren Gesetzen. In der Tat hat die Kriegskunst eine Zeitlang sich im Geiste des Handwerks bewegt, nämlich zur Zeit der Kondottieri. Aber diese Richtung hatte sie nicht nach inneren, sondern aus äußeren Gründen, und wie wenig sie in dieser Zeit naturgemäß und befriedigend war, zeigt die Kriegsgeschichte.

Der Krieg ist ein Akt des menschlichen Verkehrs

Wir sagen also, der Krieg gehört nicht in das Gebiet der Künste und Wissenschaften, sondern in das Gebiet des gesellschaftlichen Lebens. Er ist ein Konflikt großer Interessen, der sich blutig löst, und nur darin ist er von den anderen verschieden. Besser als mit irgendeiner Kunst ließe er sich mit dem Handel vergleichen, der auch ein Konflikt menschlicher Interessen und Tätigkeiten ist, und viel näher steht ihm die Politik, die ihrerseits wieder als eine Art Handel in größerem Maßstabe angesehen werden kann. Außerdem ist sie der Schoß, in welchem sich der Krieg entwickelt; in ihr liegen die Lineamente desselben schon verborgen angedeutet wie die Eigenschaften der lebenden Geschöpfe in ihren Keimen.

Unterschied

Das Wesentliche des Unterschiedes besteht darin, daß der Krieg keine Tätigkeit des Willens ist, die sich gegen einen toten Stoff äußert wie die mechanischen Künste, oder gegen einen lebendigen, aber doch leidenden, sich hingebenden Gegenstand, wie der menschliche Geist und das menschliche Gefühl bei den idealen Künsten, sondern gegen einen lebendigen, reagierenden. Wie wenig auf eine solche Tätigkeit der Gedankenschematismus der Künste und Wissenschaften paßt, springt in die Augen, und man begreift zugleich, wie das beständige Suchen und Streben nach Gesetzen, denen ähnlich, welche aus der toten Körperwelt entwickelt werden können, zu beständigen Irrtümern hat führen müssen. Und doch sind es gerade die mechanischen Künste, denen man die Kriegskunst hat nachbilden wollen. Bei den idealen verbot sich die Nachbildung von selbst, weil diese selbst der Gesetze und Regeln noch zu sehr entbehren, und die bisher versuchten, immer wieder als unzulänglich und einseitig erkannt, von dem Strom der Meinungen, Gefühle und Sitten unaufhörlich untergraben und weggespült worden sind.

Ob ein solcher Konflikt des Lebendigen, wie er sich im Kriege bildet und löst, allgemeinen Gesetzen unterworfen bleibt, und ob diese eine nützliche Richtschnur des Handelns abgeben können, soll zum Teil in diesem Buche untersucht werden; aber so viel ist an sich klar, daß dieser, wie jeder Gegenstand, der unser Begreifungsvermögen nicht übersteigt, durch einen untersuchenden Geist aufgehellt und in seinem inneren Zusammenhang mehr oder weniger deutlich gemacht werden kann, und das allein reicht schon hin, den Begriff der Theorie zu verwirklichen.

Viertes Kapitel: Methodismus

Um uns über den Begriff der Methode und des Methodismus, welche im Kriege eine so große Rolle spielen, deutlich zu erklären, müssen wir uns erlauben, einen flüchtigen Blick auf die logische Hierarchie zu werfen, durch welche wie durch konstituierte Behörden die Welt des Handelns beherrscht wird.

Gesetz, der allgemeinste, für Erkennen und Handeln gleich richtige Begriff, hat in seiner Wortbedeutung offenbar etwas Subjektives und Willkürliches und drückt doch gerade dasjenige aus, wovon wir und die Dinge außer uns abhängig sind. Gesetz als ein Gegenstand der Erkenntnis ist das Verhältnis der Dinge und ihrer Wirkungen zueinander; als Gegenstand des Willens ist es eine Bestimmung des Handelns und dann gleichbedeutend mit Gebot und Verbot.

Grundsatz ist gleichfalls ein solches Gesetz für das Handeln, aber nicht in seiner formellen definitiven Bedeutung, sondern es ist nur der Geist und der Sinn des Gesetzes, um da, wo die Mannigfaltigkeit der wirklichen Welt sich nicht unter die definitive Form eines Gesetzes fassen läßt, dem Urteil mehr Freiheit in der Anwendung zu lassen. Da das Urteil die Fälle, wo der Grundsatz nicht anzuwenden ist, bei sich selbst motivieren muß, so wird er dadurch ein eigentlicher Anhalt oder Leitstern für den Handelnden.

Der Grundsatz ist objektiv, wenn er das Ergebnis objektiver Wahrheit und folglich für alle Menschen gleich gültig ist; er ist subjektiv und wird dann gewöhnlich Maxime genannt, wenn sich subjektive Beziehungen in ihm finden, und er also nur für den, welcher ihn sich macht, einen gewissen Wert hat.

Regel wird häufig in dem Sinn von Gesetz genommen und ist dann mit Grundsatz gleichbedeutend, denn man sagt: keine Regel ohne Ausnahme; man sagt aber nicht: kein Gesetz ohne Ausnahme; ein Zeichen, daß man sich bei der Regel eine freiere Anwendung vorbehält.

In einer anderen Bedeutung wird Regel für Mittel gebraucht: eine tiefer liegende Wahrheit an einem einzelnen, näher liegenden Merkmal zu erkennen, um an dieses einzelne Merkmal das auf die ganze Wahrheit gehende Gesetz des Handelns zu knüpfen. Von der Art sind alle Spielregeln, alle abgekürzten Verfahrungsarten in der Mathematik usw.

Vorschriften und Anweisungen sind eine solche Bestimmung des Handelns, durch welche eine Menge kleiner, den Weg näher bezeichnender Umstände mit berührt werden, die für allgemeine Gesetze zu zahlreich und unbedeutend sein würden.

Endlich ist Methode, Verfahrungsart, ein unter mehreren möglichen ausgewähltes, immer wiederkehrendes Verfahren, und Methodismus, wenn statt allgemeiner Grundsätze oder individueller Vorschriften das Handeln durch Methoden bestimmt wird. Hierbei müssen notwendigerweise die unter eine solche Methode gestellten Fälle in ihren wesentlichen Stücken als gleich vorausgesetzt werden; da sie dies nicht alle sein können, so kommt es darauf an, daß es wenigstens so viele als möglich sind; mit anderen Worten: daß die Methode auf die wahrscheinlichsten Fälle berechnet sei. Der Methodismus ist also nicht auf bestimmte einzelne Prämissen, sondern auf die Durchschnittswahrscheinlichkeit der sich einander übertragenden Fälle gegründet und läuft darauf hinaus, eine Durchschnittswahrheit aufzustellen, deren beständige gleichförmige Anwendung bald etwas von der Natur einer mechanischen Fertigkeit bekommt, die zuletzt das Rechte fast ohne Bewußtsein tut.

Der Begriff des Gesetzes in Beziehung auf das Erkennen kann für die Kriegführung füglich entbehrt werden, weil die zusammengesetzten Erscheinungen des Krieges nicht so regelmäßig, und die regelmäßigen nicht so zusammengesetzt sind, um mit diesem Begriff viel weiter zu reichen als mit der einfachen Wahrheit. Wo aber die einfache Vorstellung und Rede hinreicht, wird die zusammengesetzte, potenzierte preziös und pedantisch. Den Begriff des Gesetzes in Beziehung auf das Handeln aber kann die Theorie der Kriegführung nicht gebrauchen, weil es in ihr bei dem Wechsel und der Mannigfaltigkeit der Erscheinungen keine Bestimmung gibt, die allgemein genug wäre, um den Namen eines Gesetzes zu verdienen.

Grundsätze, Regeln, Vorschriften und Methoden aber sind für die Theorie der Kriegführung unentbehrliche Begriffe, insoweit sie zu positiven Lehren führt, weil in diesen die Wahrheit nur in solchen Kristallisationsformen anschießen kann.

Da die Taktik derjenige Teil der Kriegführung ist, in welchem die Theorie am meisten zur positiven Lehre gelangen kann, so werden jene Begriffe auch in ihr am häufigsten vorkommen.

Die Reiterei nicht ohne Not gegen Infanterie zu gebrauchen, die noch in Ordnung ist; die Schußwaffen nur zu brauchen, sobald sie anfangen, eine sichere Wirksamkeit zu haben; im Gefecht die Kräfte soviel als möglich für das Ende aufzusparen: sind taktische Grundsätze. Alle diese Bestimmungen lassen sich nicht absolut auf jeden Fall anwenden, aber sie müssen dem Handelnden gegenwärtig sein, um den Nutzen der in ihnen enthaltenen Wahrheit nicht zu verlieren, da wo sie gelten kann.

Wenn man aus den ungewöhnlichen Abkochen eines feindlichen Korps auf seinen Abmarsch schließt, wenn das absichtliche Freistellen der Truppen im Gefecht auf einen Scheinangriff deutet: so wird diese Art, die Wahrheit zu erkennen, eine Regel genannt, weil man aus einem einzelnen, sichtbaren Umstand auf die Absicht schließt, welcher derselbe angehört.

Wenn es eine Regel ist, den Feind, sobald er anfängt, im Gefecht seine Batterien abzufahren, mit erneuter Energie anzufallen: so wird an diese einzelne Erscheinung eine Bestimmung des Handelns geknüpft, welche auf den ganzen, dadurch erratenen Zustand des Gegners gerichtet ist, nämlich: daß er das Gefecht aufgeben will, seinen Abzug anfängt und während dieses Abzuges weder zum vollen Widerstand noch, wie auf dem Rückzug selbst, zum hinlänglichen Ausweichen geeignet ist.

Vorschriften und Methoden bringen die den Krieg vorbereitenden Theorien mit in die Kriegführung, insofern sie den ausgebildeten Streitkräften als tätige Prinzipe eingeimpft werden. Die sämtlichen Formations-, Übungs- und Felddienstreglements sind Vorschriften und Methoden; in den Übungsreglements herrscht die erstere, in den Felddienstreglements die letztere vor. An diese Dinge knüpft sich die eigentliche Kriegführung an, sie übernimmt sie also als gegebene Verfahrungsarten, und als solche müssen sie in der Theorie der Kriegführung vorkommen.

Für die in dem Gebrauch dieser Kräfte frei gebliebenen Tätigkeiten aber können Vorschriften, d. h. bestimmte Anweisungen, nicht vorkommen, eben weil sie den freien Gebrauch ausschließen. Methoden hingegen als eine allgemeine Ausführungsart vorkommender Aufgaben, die, wie wir gesagt haben, auf die Durchschnittswahrscheinlichkeit berechnet ist, als eine bis zur Anwendung durchgeführte Herrschaft der Grundsätze und Regeln, können allerdings in der Theorie der Kriegführung vorkommen, insofern sie nur nicht für etwas anderes ausgegeben werden als sie sind, nicht für absolute und notwendige Konstruktionen des Handelns (Systeme), sondern für die besten der allgemeinen Formen, welche an die Stelle der individuellen Entscheidung als kürzere Wege gesetzt und zur Zahl gestellt werden können.

Aber die häufige Anwendung der Methoden wird in der Kriegführung auch als höchst wesentlich und unvermeidlich erscheinen, wenn man bedenkt, wie vieles Handeln auf bloße Voraussetzungen oder in völliger Ungewißheit geschieht, weil der Feind verhindert, alle Umstände kennenzulernen, die auf unsere Anordnungen Einfluß haben, oder weil nicht Zeit dazu ist, so daß, wenn man diese Umstände auch wirklich kannte, es wegen der Weitläuftigkeit und zu großen Zusammensetzungen schon unmöglich sein würde, alle Anordnungen danach abzumessen, daß also unsere Einrichtungen immer auf eine gewisse Zahl von Möglichkeiten zugeschnitten sein müssen. Wenn man bedenkt, wie zahllos die kleinen Umstände sind, die einem individuellen Falle angehören, also mit berücksichtigt werden müßten, und daß es also kein anderes Mittel gibt, als sich die einen durch die anderen übertragen zu denken und nur auf das Allgemeine und Wahrscheinliche seine Anordnungen zu bauen; endlich, wenn man bedenkt, daß bei der nach unten hin in beschleunigter Progression zunehmenden Zahl der Führer der wahren Einsicht und dem ausgebildeten Urteil eines jeden um so weniger überlassen werden darf, je weiter das Handeln hinuntersteigt, und daß da, wo man keine anderen Einsichten voraussetzen darf als die, welche die Dienstvorschrift und Erfahrung gibt, man ihnen mit dem daran grenzenden Methodismus entgegenkommen muß. Dieser wird ihrem Urteil ein Anhalt und zugleich ein Hindernis für ausschweifende, ganz verkehrte Ansichten, die man in einem Gebiet vorzüglich zu fürchten hat, wo die Erfahrung so kostbar ist.

Außer dieser Unentbehrlichkeit des Methodismus müssen wir auch einen positiven Vorteil desselben anerkennen. Es wird nämlich durch die Übung seiner stets wiederkehrenden Formen Fertigkeit, Präzision und Sicherheit in der Führung der Truppen erreicht, welche die natürliche Friktion vermindert und die Maschine leichter gehen macht.

Die Methode wird also um so vielfältiger gebraucht, um so unentbehrlicher werden, je weiter die Tätigkeit hinuntersteigt, nach oben hin aber abnehmen, bis sie sich in den höchsten Stellen ganz verliert. Darum wird sie auch mehr in der Taktik als in der Strategie zu Hause sein.

Der Krieg in seinen höchsten Bestimmungen besteht nicht aus einer unendlichen Menge kleiner Ereignisse, die in ihren Verschiedenheiten sich übertragen, und die also durch eine bessere oder schlechtere Methode besser oder schlechter beherrscht würden, sondern aus einzelnen großen, entscheidenden, die individuell behandelt sein wollen. Er ist nicht ein Feld voll Halme, die man ohne Rücksicht auf die Gestalt der einzelnen mit einer besseren oder schlechteren Sense besser oder schlechter mäht, sondern es sind große Bäume, an welche die Axt mit Überlegung, nach Beschaffenheit und Richtung eines jedes einzelnen Stammes angelegt sein will.

Wie weit die Zulässigkeit des Methodismus in der kriegerischen Tätigkeit hinaufreicht, bestimmt sich natürlich nicht eigentlich nach den Stellen, sondern nach den Sachen, und es ist nur, weil die höchsten Stellen die umfassendsten Gegenstände der Tätigkeit haben, daß sie davon weniger berührt werden. Eine bleibende Schlachtordnung, eine bleibende Einrichtung der Avantgarden und Vorposten sind Methoden, wodurch der Feldherr nicht bloß seinen Untergebenen, sondern auch sich selbst für gewisse Fälle die Hände bindet. Freilich können sie seine Erfindungen und von ihm nach Umständen eingerichtet sein, sie können aber auch, insofern sie auf die allgemeinen Eigenschaften der Truppen und Waffen gegründet sind, ein Gegenstand der Theorie sein. Dagegen würde jede Methode, wodurch Kriegs- und Feldzugspläne bestimmt und wie von einer Maschine fertig geliefert würden, unbedingt verwerflich sein.

Solange es keine erträgliche Theorie, d. h. keine verständige Betrachtung über die Kriegführung gibt, muß der Methodismus auch in den höheren Tätigkeiten über die Gebühr um sich greifen, denn die Männer, welche diese Wirkungskreise ausfüllen, sind zum Teil nicht imstande gewesen, sich durch Studien und höhere Lebensverhältnisse auszubilden; in die unpraktischen und widerspruchsvollen Räsonnements der Theorien und Kritiken wissen sie sich nicht zu finden, ihr gesunder Menschenverstand stößt sie von sich, und sie bringen also keine andere Einsicht mit als die der Erfahrung; daher sie denn bei denjenigen Fällen, die einer freien, individuellen Behandlung fähig und bedürftig sind, auch gern die Mittel anwenden, die ihnen die Erfahrung gibt, d. h. eine Nachahmung der dem obersten Feldherrn eigentümlichen Verfahrungsweise, wodurch denn von selbst ein Methodismus entsteht. Wenn wir Friedrichs des Großen Generale immer mit der sogenannten schiefen Schlachtordnung auftreten, die französischen Revolutionsgenerale immer das Umfassen in lang ausgedehnten Schlachtlinien anwenden, die Bonapartischen Unterfeldherren aber mit der blutigen Energie konzentrischer Massen hineinstürmen sehen, so erkennen wir in der Wiederkehr des Verfahrens offenbar eine angenommene Methode und sehen also, daß der Methodismus bis zu den an das Höchste grenzenden Regionen hinaufreichen kann. Wird eine verbesserte Theorie das Studium der Kriegführung erleichtern, den Geist und das Urteil der Männer erziehen, die sich zu den höheren Stellen hinaufschwingen, so wird auch der Methodismus nicht mehr so weit hinaufreichen, und derjenige, welcher als unentbehrlich zu betrachten ist, wird dann wenigstens aus der Theorie selbst geschöpft werden und nicht aus bloßer Nachahmung entstehen. Wie vortrefflich auch ein großer Feldherr die Dinge macht, immer ist in der Art, wie er sie macht, etwas Subjektives, und hat er eine bestimmte Manier, so ist ein guter Teil seiner Individualität darin enthalten, die dann nicht immer mit der Individualität dessen stimmt, der diese Manier nachahmt.

Indessen wird es weder möglich noch recht sein, den subjektiven Methodismus oder die Manier ganz aus der Kriegführung zu verbannen, man muß ihn vielmehr als eine Äußerung desjenigen Einflusses betrachten, den die Gesamtindividualität eines Krieges auf seine einzelnen Erscheinungen hat, und dem, wenn die Theorie ihn nicht hat vorhersehen und in ihre Betrachtungen mit aufnehmen können, nur so Genüge geschehen kann. Was ist natürlicher, als daß der Revolutionskrieg seine eigentümliche Weise hatte, die Dinge zu machen, und welche Theorie hätte die Eigentümlichkeit mit aufzufassen vermocht? Das Übel ist nur, daß eine solche, aus dem einzelnen Fall hervorgehende Manier sich selbst leicht überlebt, weil sie bleibt, während die Umstände sich unvermerkt ändern; das ist es, was die Theorie durch eine lichte und verständige Kritik verhindern soll. Als im Jahre 1806 die preußischen Generale Prinz Louis bei Saalfeld, Tauentzien auf dem Dornberge bei Jena, Grawert vor und Rüchel hinter Kapellendorf, sämtlich mit der schiefen Schlachtordnung Friedrichs des Großen sich in den offnen Schlund des Verderbens warfen, war es nicht bloß eine Manier, die sich überlebt hatte, sondern die entschiedenste Geistesarmut, zu der je der Methodismus geführt hat, womit sie es zustande brachten, die Hohenlohische Armee zugrunde zu richten, wie nie eine Armee auf dem Schlachtfelde selbst zugrunde gerichtet worden ist.

Fünftes Kapitel: Kritik

Die Einwirkung theoretischer Wahrheiten auf das praktische Leben geschieht immer mehr durch Kritik als durch Lehre; denn da die Kritik eine Anwendung der theoretischen Wahrheit auf wirkliche Ereignisse ist, so bringt sie jene dem Leben nicht nur näher, sondern sie gewöhnt auch den Verstand mehr an diese Wahrheiten durch die beständige Wiederkehr ihrer Anwendungen. Wir halten es daher für nötig, neben dem Gesichtspunkt für die Theorie den für die Kritik festzustellen.

Von der einfachen Erzählung eines geschichtlichen Ereignisses, welche die Dinge bloß nebeneinander hinstellt und höchstens ihre nächsten Kausalverbindungen berührt, unterscheiden wir die kritische.

In dieser kritischen können drei verschiedene Tätigkeiten des Verstandes vorkommen.

Erstens die geschichtliche Ausmittelung und Feststellung zweifelhafter Tatsachen. Sie ist die eigentliche Geschichtsforschung und hat mit der Theorie nichts gemein.

Zweitens die Ableitung der Wirkung aus den Ursachen. Dies ist die eigentliche kritische Forschung; sie ist der Theorie unentbehrlich, denn alles, was in der Theorie durch die Erfahrung festgestellt oder unterstützt oder auch nur erläutert werden soll, kann nur auf diesem Wege erledigt werden.

Drittens die Prüfung der angewandten Mittel. Dies ist die eigentliche Kritik, in welcher Lob und Tadel enthalten sind. Hier ist es die Theorie, welche der Geschichte oder vielmehr der aus ihr zu ziehenden Belehrung dient.

In diesen beiden letzten, eigentlich kritischen Teilen der geschichtlichen Betrachtung kommt alles darauf an, die Dinge bis in ihre letzten Elemente, d. h. bis zu unzweifelhaften Wahrheiten zu verfolgen und nicht, wie so sehr häufig geschieht, auf dem halben Wege, d. h. bei irgendeiner willkürlichen Setzung oder Voraussetzung stehenzubleiben.

Was die Ableitung der Wirkung aus den Ursachen betrifft, so hat diese oft eine äußere, unüberwindliche Schwierigkeit, daß man nämlich die wahren Ursachen gar nicht kennt. In keinem Verhältnisse des Lebens kommt dieses so häufig vor als im Kriege, wo die Ereignisse selten vollständig bekannt werden, und noch weniger die Motive, die von den Handelnden entweder absichtlich verhehlt werden, oder, wenn sie sehr vorübergehend und zufällig waren, auch für die Geschichte verlorengehen können. Daher muß die kritische Erzählung mit der geschichtlichen Forschung meistens Hand in Hand gehen, und doch bleibt oft ein solches Mißverhältnis zwischen Ursache und Wirkung, daß sie nicht berechtigt ist, aus den bekannten Ursachen die Wirkungen als notwendige Folgen zu betrachten. Hier müssen also notwendig Lücken entstehen, d. h. geschichtliche Erfolge, die für die Belehrung nicht benutzt werden können. Alles, was die Theorie fordern kann, ist, daß die Untersuchung entschieden bis zu dieser Lücke geführt werde und bei ihr alle Folgerungen einstelle. Ein wahres Übel entsteht erst, wenn das Bekannte schlechterdings hinreichen soll, die Wirkungen zu erklären, ihm also eine falsche Wichtigkeit gegeben wird.

Außer dieser Schwierigkeit hat die kritische Forschung darin noch eine sehr große innere: daß die Wirkungen im Kriege selten aus einer einfachen Ursache hervorgehen, sondern aus mehreren gemeinschaftlichen, und daß es also nicht genügt, mit unbefangenem, redlichem Willen die Reihe der Ereignisse bis zu ihrem Anfange hinaufzusteigen, sondern daß es dann noch darauf ankommt, einer jeden der vorhandenen Ursachen ihren Anteil zuzuweisen. Dies führt also zu einer näheren Untersuchung ihrer Natur, und so kann eine kritische Untersuchung in das eigentliche Feld der Theorie führen.

Die kritische Betrachtung, nämlich die Prüfung der Mittel, führt zu der Frage, welches die eigentümlichen Wirkungen der angewendeten Mittel sind, und ob diese Wirkungen die Absicht des Handelnden waren.

Die eigentümlichen Wirkungen der Mittel führen zur Untersuchung ihrer Natur, d. h. wieder ins Feld der Theorie.

Wir haben gesehen, daß in der Kritik alles darauf ankommt, bis zu unzweifelhaften Wahrheiten zu gelangen, also nicht bei willkürlichen Satzungen stehenzubleiben, die für andere nicht gültig sind, denen dann andere, vielleicht ebenso willkürliche Behauptungen entgegengestellt werden, so daß des Hin- und Herräsonierens kein Ende, das Ganze ohne Resultat, also ohne Belehrung ist.

Wir haben gesehen, daß sowohl die Untersuchung der Ursachen als die Prüfung der Mittel in das Feld der Theorie führt, d. h. in das Feld der allgemeinen Wahrheit, die nicht bloß aus dem vorliegenden individuellen Falle hervorgeht. Gibt es nun eine brauchbare Theorie, so wird die Betrachtung sich auf das, was in derselben ausgemacht ist, berufen und ihre Untersuchung da einstellen können. Wo es aber eine solche theoretische Wahrheit nicht gibt, wird die Untersuchung bis in die letzten Elemente fortgesetzt werden müssen. Kommt diese Notwendigkeit oft vor, so muß sie natürlich den Schriftsteller, wie man sich auszudrücken pflegt, von dem Hundertsten ins Tausendste führen; er bekommt dann alle Hände voll zu tun, und es ist fast nicht möglich, daß er überall mit der erforderlichen Muße verweile. Die Folge ist doch, daß er, um seiner Betrachtung Grenzen zu setzen, bei willkürlichen Behauptungen stehenbleibt, die, wenn sie es auch wirklich für ihn nicht wären, es doch für die anderen bleiben, weil sie sich nicht von selbst verstehen und unerwiesen sind.

Eine brauchbare Theorie ist also eine wesentliche Grundlage der Kritik, und es ist unmöglich, daß diese im allgemeinen auf den Punkt gelange, auf welchem sie hauptsächlich erst belehrend wird, nämlich, daß sie eine überzeugende Demonstration und sans réplique sei, ohne den Beistand einer vernünftigen Theorie.

Aber es wäre eine träumerische Hoffnung, an die Möglichkeit einer Theorie zu glauben, die für jede abstrakte Wahrheit sorgte und es der Kritik nur überließe, den Fall unter das passende Gesetz zu stellen; es wäre eine lächerliche Pedanterie, der Kritik vorzuschreiben, daß sie an den Grenzen der heiligen Theorie jedesmal umdrehe. Derselbe Geist analytischer Untersuchung, welcher die Theorie schafft, soll auch das Geschäft der Kritik leiten, und es kann und mag also geschehen, daß er oft in das Gebiet der Theorie hinüberschweift und sich diejenigen Punkte noch aufklärt, auf die es ihm besonders ankommt. Es kann vielmehr umgekehrt der Zweck der Kritik ganz verfehlt werden, wenn sie zu einer geistlosen Anwendung der Theorie wird. Alle positiven Ergebnisse der theoretischen Untersuchung, alle Grundsätze, Regeln und Methoden ermangeln der Allgemeinheit und absoluten Wahrheit um so mehr, je mehr sie zur positiven Lehre werden. Sie sind da, um sich beim Gebrauch anzubieten, und dem Urteil muß es immer überlassen bleiben, ob sie angemessen sind oder nicht. Solche Resultate der Theorie darf die Kritik nie als Gesetze und Normen zum Maßstabe gebrauchen, sondern nur als das, was sie auch dem Handelnden sein sollen, als Anhalt für das Urteil. Wenn es in der Taktik eine ausgemachte Sache ist, daß in der allgemeinen Schlachtordnung die Reiterei nicht neben, sondern hinter das Fußvolk gehört, so wäre es doch töricht, jede davon abweichende Anordnung deshalb zu verdammen; die Kritik soll die Gründe der Abweichung untersuchen, und nur wenn diese unzureichend sind, hat sie ein Recht, sich auf die theoretische Feststellung zu berufen. Wenn es ferner in der Theorie ausgemacht ist, daß ein geteilter Angriff die Wahrscheinlichkeit des Erfolges vermindert, so würde es ebenso unvernünftig sein, überall, wo ein geteilter Angriff und schlechter Erfolg zusammentrafen, ohne weitere Untersuchung, ob es sich wirklich so verhält, den letzten als die Folge des ersten zu betrachten, oder da, wo der geteilte Angriff einen guten Erfolg hatte, etwa daraus rückwärts auf die Unrichtigkeit jener theoretischen Behauptung zu schließen. Beides soll der untersuchende Geist der Kritik nicht erlauben. Es ist also hauptsächlich auf die Resultate der analytischen Untersuchung in der Theorie, auf welche sich die Kritik stützt; was hier schon ausgemacht ist, hat sie selbst erst nicht von neuem festzustellen, und es wird dort ausgemacht, damit sie es festgestellt vorfinde.

Diese Aufgabe der Kritik, zu untersuchen, welche Wirkung aus der Ursache hervorgegangen ist, und ob ein angewandtes Mittel seinem Zweck entsprochen habe, wird leicht sein, wenn Ursache und Wirkung, Zweck und Mittel nahe beieinanderliegen.

Wenn eine Armee überfallen wird und dadurch zu keinem ordnungsmäßigen und verständigen Gebrauch ihrer Fakultäten kommt, so ist die Wirkung des Überfalles nicht zweifelhaft. - Wenn die Theorie ausgemacht hat, daß ein umfassender Angriff in der Schlacht zu größerem, aber weniger gesichertem Erfolg führt, so fragt es sich, ob der, welcher den umfassenden Angriff anwendet, sich vorzugsweise die Größe des Erfolgs zum Ziel gesetzt hat; in diesem Fall ist das Mittel richtig gewählt. Hat er aber damit seinen Erfolg gewisser machen wollen, und war dieser nicht auf die individuellen Umstände, sondern auf die allgemeine Natur des umfassenden Angriffs gegründet, wie wohl hundertmal vorgekommen ist, so hat er die Natur jenes Mittels verkannt und einen Fehler begangen.

Hier ist das Geschäft der kritischen Untersuchung und Prüfung nicht schwer, und es wird jedesmal leicht sein, wo man sich auf die nächsten Wirkungen und Zwecke beschränkt. Man kann dies ganz nach Willkür tun, sobald man von dem Zusammenhange mit dem Ganzen abstrahieren und die Dinge nur in diesem Verhältnisse betrachten will.

Es steht aber im Kriege, wie überhaupt in der Welt, alles im Zusammenhange, was einem Ganzen angehört, und folglich muß jede Ursache, wie klein sie auch sei, in ihren Wirkungen sich bis ans Ende des kriegerischen Aktes erstrecken und das Endresultat, um ein wie Geringes es auch sein möge, modifizieren. Ebenso muß jedes Mittel bis zu dem letzten Zweck hinaufreichen.

Man kann also die Wirkungen einer Ursache so lange verfolgen, als Erscheinungen noch des Beobachtens wert sind, und ebenso kann man ein Mittel nicht bloß für den nächsten Zweck prüfen, sondern auch diesen Zweck selbst als Mittel für den höheren, und so an der Kette der einander untergeordneten Zwecke hinaufsteigen, bis man auf einen trifft, der keiner Prüfung bedarf, weil seine Notwendigkeit nicht zweifelhaft ist. In vielen Fällen, besonders wenn von großen entscheidenden Maßregeln die Rede ist, wird die Betrachtung bis zu dem letzten Zweck, bis zu dem, welcher unmittelbar den Frieden bereiten soll, hinaufreichen müssen.

Es ist klar, daß man in diesem Hinaufsteigen mit jeder neuen Station, die man einnimmt, einen neuen Standpunkt für das Urteil bekommt, so daß dasselbe Mittel, welches in dem nächsten Standpunkt als vorteilhaft erscheint, von einem höheren aus betrachtet verworfen werden muß.

Das Forschen nach den Ursachen der Erscheinungen und das Prüfen der Mittel nach den Zwecken gehen bei der kritischen Betrachtung eines Aktes immer Hand in Hand, denn das Forschen nach der Ursache bringt erst auf die Dinge, welche es verdienen, ein Gegenstand der Prüfung zu sein.

Dieses Verfolgen des Fadens, hinauf und herunter, ist mit bedeutenden Schwierigkeiten verbunden; denn je weiter von einer Begebenheit die Ursache, welche man aufsucht, entfernt liegt, um so mehr andere Ursachen sind zugleich mit ins Auge zu fassen und für den Anteil, welchen sie an den Begebenheiten gehabt haben mögen, abzufinden und auszuscheiden, weil jede Erscheinung, je höher sie steht, durch um so viel mehr einzelne Kräfte und Umstände bedingt wird. Wenn wir die Ursachen einer verlorenen Schlacht ausgemittelt haben, so haben wir freilich auch einen Teil der Ursachen der Folgen ausgemittelt, welche diese verlorene Schlacht für das Ganze hatte, aber nur einen Teil, denn es werden in das Endresultat nach den Umständen mehr oder weniger Wirkungen anderer Ursachen hineinströmen.

Eben diese Mannigfaltigkeit der Gegenstände entsteht bei der Prüfung der Mittel, je höher man mit dem Standpunkt hinaufrückt; denn je höher die Zwecke liegen, um so größer ist die Zahl der Mittel, welche zu ihrer Erreichung angewendet werden. Der letzte Zweck des Krieges wird von allen Armeen gleichzeitig verfolgt, und es ist also nötig, alles, was von diesem geschehen ist oder geschehen konnte, mit in die Betrachtung zu ziehen.

Man sieht wohl, daß dies zuweilen in ein weites Feld der Betrachtung führen kann, in dem es leicht ist, sich zu verwirren, und in welchem die Schwierigkeit obwaltet, weil eine Menge von Voraussetzungen gemacht werden müssen über diejenigen Dinge, die sich nicht wirklich zugetragen haben, die aber wahrscheinlich waren und deshalb aus der Betrachtung schlechterdings nicht wegbleiben dürfen.

Als Bonaparte im März 1797 mit der italienischen Armee gegen den Erzherzog Karl von dem Tagliamento vordrang, geschah es in der Absicht, diesen Feldherrn zu einer Entscheidung zu zwingen, ehe noch derselbe seine vom Rhein erwarteten Verstärkungen an sich gezogen hatte. Sieht man bloß auf die nächste Entscheidung, so war das Mittel gut gewählt, und der Erfolg hat es bewiesen, denn der Erzherzog war noch so schwach, daß er am Tagliamento nur den Versuch eines Widerstandes machte, und als er seinen Gegner zu stark und entschlossen sah, ihm den Kampfplatz und die Eingänge der Norischen Alpen räumte. Was konnte nun Bonaparte mit diesem glücklichen Erfolg bezwecken? Selbst in das Herz der österreichischen Monarchie vorzudringen, den beiden Rheinarmeen unter Moreau und Hoche das Vordringen zu erleichtern und in nahe Verbindung mit ihnen zu treten. So sah Bonaparte die Sache ein, und von diesem Gesichtspunkte aus hatte er recht. Stellt sich nun aber die Kritik auf einen höheren Standpunkt, nämlich auf den des französischen Direktoriums, welches übersehen konnte und mußte, daß der Feldzug am Rhein erst sechs Wochen später eröffnet werden würde, so kann man das Vordringen Bonapartes über die Norischen Alpen nur als ein übertriebenes Wagstück betrachten; denn hatten die Österreicher in Steiermark vom Rhein her beträchtliche Reserven aufgestellt, womit der Erzherzog über die italienische Armee herfallen konnte, so war diese nicht allein zugrunde gerichtet, sondern auch der ganze Feldzug verloren. Diese Betrachtung, die sich Bonapartes in der Gegend von Villach bemächtigte, hat ihn vermocht, zu dem Waffenstillstand von Leoben so bereitwillig die Hand zu bieten.

Stellt sich die Kritik noch eine Stufe höher und weiß sie, daß die Österreicher keine Reserve zwischen der Armee des Erzherzogs Karl und Wien hatten, so war durch das Vordringen der italienischen Armee Wien bedroht.

Gesetzt, Bonaparte hätte diese Entblößung der Hauptstadt und diese entschiedene Überlegenheit, welche ihm auch in Steiermark über den Erzherzog blieb, gekannt, so würde sein Vorauseilen gegen das Herz des österreichischen Staates nicht mehr zwecklos sein, und der Wert desselben hängt nur von dem Wert ab, den die Österreicher auf die Erhaltung Wiens legen; denn wenn dieser so groß wäre, daß sie lieber die Friedensbedingungen eingehen würden, die Bonaparte ihnen anzubieten hatte, so war die Bedrohung Wiens als das letzte Ziel zu betrachten. Hätte dies Bonaparte aus irgendeinem Grunde gewußt, so kann auch die Kritik dabei stehenbleiben; war es aber noch problematisch, so muß die Kritik sich wieder zu einem höheren Standpunkt erheben und fragen, was entstanden sein würde, wenn die Österreicher Wien preisgegeben und sich weiter in die noch übrige große Masse ihrer Staaten zurückgezogen hätten. Diese Frage aber kann, wie leicht zu erachten ist, gar nicht mehr beantwortet werden, ohne die wahrscheinlichen Ereignisse zwischen den beiderseitigen Rheinarmeen in Betrachtung zu ziehen. Bei der entschiedenen Überlegenheit der Franzosen (130000 Mann zu 80000 Mann) würde der Erfolg an sich zwar wenig zweifelhaft gewesen sein, aber es entstand wieder die Frage, wozu das französische Direktorium diesen Erfolg benutzen würde, ob zu einer Verfolgung seiner Vorteile bis an die entgegengesetzten Grenzen der österreichischen Monarchie, also bis zur Zertrümmerung oder Niederwerfung dieser Macht, oder ob bloß zur Eroberung eines bedeutenden Teiles als Unterpfand des Friedens. Für beide Fälle ist das wahrscheinliche Resultat auszumitteln, um nach diesem ersten die wahrscheinliche Wahl des französischen Direktoriums zu bestimmen. Gesetzt, das Resultat dieser Betrachtung fiele dahin aus, daß für die gänzliche Niederwerfung des österreichischen Staates die französischen Streitkräfte viel zu schwach gewesen wären, so daß der Versuch davon ganz von selbst einen Umschwung der Dinge herbeigeführt hätte, und daß selbst die Eroberung und Behauptung eines bedeutenden Teiles die Franzosen in strategische Verhältnisse geführt hätte, denen ihre Kräfte wahrscheinlich nicht gewachsen waren: so muß dieses Resultat Einfluß auf die Beurteilung der Lage haben, in welcher sich die italienische Armee befand, und dieselbe zu geringen Hoffnungen berechtigen. Und dies ist es unstreitig, was Bonaparte auch da, als er die hilflose Lage des Erzherzogs ganz übersehen konnte, noch vermocht hat, den Frieden von Campoformio auf Bedingungen abzuschließen, die den Österreichern keine größeren Opfer auferlegten als den Verlust von Provinzen, die sie auch nach dem glücklichsten Feldzug nicht wieder erobert haben würden. Aber selbst auf diesen mäßigen Frieden von Campoformio hätten die Franzosen nicht rechnen, und sie hätten ihn also nicht zum Zweck ihres kühnen Vorschreitens machen können, wenn nicht zwei Betrachtungen anzustellen gewesen wären; die erste besteht in der Frage: welchen Wert die Österreicher auf jedes der beiden Resultate gelegt haben würden, ob sie dieselben trotz der Wahrscheinlichkeit eines endlichen glücklichen Erfolges, welcher in beiden für sie lag, der Opfer wert gefunden haben würden, die mit ihnen, das ist mit der Fortsetzung des Krieges, verbunden waren, und die sie durch einen Frieden auf nicht zu nachteilige Bedingungen vermeiden konnten. Die zweite Betrachtung besteht in dieser anderen Frage: ob die österreichische Regierung überhaupt mit ihrer Überlegenheit so weit gehen, ob sie die letzten möglichen Erfolge ihrer Gegner gehörig prüfen, sich nicht von dem Eindruck der augenblicklichen Mißverhältnisse zur Mutlosigkeit fortreißen lassen würde.

Die Betrachtung, welche den Gegenstand dieser ersten Frage macht, ist nicht etwa eine müßige Spitzfindigkeit, sondern von so entschiedenem praktischem Gewicht, daß sie jedesmal vorkommt, wenn ein auf das Äußerste gerichteter Plan vorliegt, und sie ist es, welche die Ausführung solcher Pläne am häufigsten verhindert.

Die zweite Betrachtung ist ebenso notwendig, denn man führt den Krieg nicht mit einem abstrakten Gegner, sondern mit einem wirklichen, den man immer im Auge haben muß. Und gewiß hat dem kühnen Bonaparte dieser Gesichtspunkt nicht gefehlt, d. h. nicht gefehlt das Vertrauen, welches er in den Schrecken setzte, der seinem Schwerte voranging. Dasselbe Vertrauen führte ihn im Jahre 1812 nach Moskau. Hier hat es ihn im Stich gelassen; der Schrecken hatte sich in den gigantischen Kämpfen schon etwas abgenutzt; im Jahre 1797 war er allerdings noch neu, und das Geheimnis von der Stärke eines bis aufs Äußerste gerichteten Widerstandes noch unerfunden, aber nichtsdestoweniger würde ihn auch im Jahre 1797 seine Kühnheit zu einem negativen Resultat geführt haben, wenn er nicht, wie gesagt, im Vorgefühl davon den mäßigen Frieden von Campoformio als Ausweg gewählt hätte.

Wir müssen diese Betrachtung hier abbrechen; sie wird hinreichen, um als Beispiel den weiten Umfang, die Mannigfaltigkeit und die Schwierigkeit zu zeigen, welche eine kritische Betrachtung bekommen kann, wenn man bis zu den letzten Zwecken hinaufsteigt, d. h. wenn man von Maßregeln großer und entscheidender Art spricht, die notwendig bis so weit hinaufreichen müssen. Es wird daraus hervorgehen, daß außer der theoretischen Einsicht in den Gegenstand das natürliche Talent auch einen großen Einfluß auf den Wert einer kritischen Betrachtung haben muß, denn von diesem wird es hauptsächlich abhängen, das Licht in den Zusammenhang der Dinge zu tragen und von den zahllosen Verknüpfungen der Begebenheiten die wesentlichen zu unterscheiden.

Aber das Talent wird noch auf eine andere Art in Anspruch genommen. Die kritische Betrachtung ist nicht bloß eine Prüfung der wirklich angewendeten Mittel, sondern aller möglichen, die also erst angegeben, d. h. erfunden werden müssen, und man kann ja überhaupt nie ein Mittel tadeln, wenn man nicht ein anderes als das bessere anzugeben weiß. Wie klein nun auch die Zahl der möglichen Kombinationen in den meisten Fällen sein mag, so ist doch nicht zu leugnen, daß das Aufstellen der nicht gebrauchten keine bloße Analyse vorhandener Dinge, sondern eine selbsttätige Schöpfung ist, welche sich nicht vorschreiben läßt, sondern von der Fruchtbarkeit des Geistes abhängt.

Wir sind weit entfernt, das Feld großer Genialität zu sehen, wo sich alles auf sehr wenige, praktisch mögliche und sehr einfache Kombinationen zurückführen läßt; wir finden es unbeschreiblich lächerlich, das Umgehen einer Stellung der Erfindung wegen wie einen Zug großer Genialität zu betrachten, wie so oft vorgekommen ist, aber nichtsdestoweniger ist dieser Akt schöpferischer Selbsttätigkeit notwendig, und der Wert kritischer Betrachtung wird durch ihn wesentlich mitbestimmt.

Als Bonaparte am 30. Juli 1796 den Entschluß faßte, die Belagerung von Mantua aufzuheben, um dem vorrückenden Wurmser entgegenzugehen und mit vereinter Kraft seine durch den Gardasee und den Mincio getrennten Kolonnen einzeln zu schlagen, erschien dies als der sicherste Weg zu glänzenden Siegen. Diese Siege sind wirklich erfolgt und haben sich bei den späteren Ersatzversuchen mit demselben Mittel noch glänzender wiederholt. Man hört darüber nur eine Stimme, die der ungeteilten Bewunderung.

Gleichwohl konnte Bonaparte am 30. Juli diesen Weg nicht einschlagen, ohne den Gedanken an die Belagerung Mantuas ganz aufzugeben, weil es unmöglich war, den Belagerungstrain zu retten, und ein zweiter in diesem Feldzuge nicht zu beschaffen war. In der Tat verwandelte sich die Belagerung in eine bloße Einschließung, und der Platz, der bei fortgesetzter Belagerung in den ersten acht Tagen gefallen sein würde, widerstand trotz aller Siege Bonapartes im freien Felde noch sechs Monate.

Die Kritik hat dies als ein ganz unvermeidliches Übel angesehen, weil sie keinen besseren Weg des Widerstandes anzugeben wußte. Der Widerstand gegen einen anrückenden Ersatz innerhalb einer Zirkumvallationslinie war so in Verruf und Verachtung gekommen, daß dieses Mittel dem Auge ganz entrückt war. Gleichwohl hatte es zur Zeit Ludwigs XIV. so sehr oft seinen Zweck erfüllt, daß es nur eine Modeansicht zu nennen ist, wenn es keinem Menschen einfiel, daß es hundert Jahre später wenigstens mit in die Betrachtung kommen könnte. Hätte man diese Möglichkeit gestattet, so würde die nähere Untersuchung der Verhältnisse ergeben haben, daß 40000 Mann der besten Infanterie von der Welt, welche Bonaparte in einer Zirkumvallationslinie vor Mantua aufstellen konnte, bei einer starken Verschanzung die 50000 Österreicher, welche Wurmser zum Entsatz anführte, so wenig zu fürchten hatten, daß diese schwerlich auch nur einen Versuch zum Angriff ihrer Linien gemacht haben würden. Wir wollen uns hier auf keinen näheren Beweis dieser Behauptung einlassen, wir glauben aber genug gesagt zu haben, um diesem Mittel das Recht der Mitbewerbung zu verschaffen. Ob Bonaparte im Handeln selbst an dieses Mittel gedacht hat, wollen wir nicht entscheiden; in seinen Memoiren und den übrigen gedruckten Quellen findet sich davon keine Spur; die ganze spätere Kritik hat nicht daran gedacht, weil der Blick sich von dieser Maßregel ganz entwöhnt hatte. Das Verdienst, an dieses Mittel zu erinnern, ist nicht groß, denn man braucht sich nur von der Anmaßung einer Modeansicht loszumachen, um daraufzukommen; aber es ist doch notwendig, daß man daraufkomme, um es in die Betrachtung zu ziehen und mit dem Mittel, welches Bonaparte anwendete, zu vergleichen. Wie das Resultat dieser Vergleichung auch ausfallen möge, die Kritik darf sie nicht versäumen.

Als Bonaparte im Februar 1814 von der Blücherschen Armee, nachdem er sie in den Gefechten von Etoges, Champaubert, Montmirail usw. besiegt hatte, abließ, um sich wieder gegen Schwarzenberg zu wenden, und dessen Korps bei Montereau und Mormant schlug, war jedermann voll Bewunderung, weil Bonaparte gerade in diesem Hin- und Herwerfen seiner Hauptmacht einen glänzenden Gebrauch von dem Fehler machte, welcher in dem getrennten Vorgehen der Verbündeten lag; wenn ihn diese glänzenden Schläge nach allen Seiten hin nicht gerettet haben, so meint man, war es wenigstens nicht seine Schuld. Niemand hat bis jetzt die Frage getan: was der Erfolg gewesen sein würde, wenn er sich nicht von Blücher wieder gegen Schwarzenberg gewendet, sondern seine Stöße ferner gegen Blücher gerichtet und diesen bis an den Rhein verfolgt hätte. Wir halten uns überzeugt, daß ein gänzlicher Umschwung des Feldzuges eingetreten und die große Armee, statt nach Paris zu gehen, über den Rhein zurückgekehrt wäre. Wir verlangen nicht, daß man diese Überzeugung mit uns teile, aber daß die Kritik diese Alternative mit zur Sprache bringen mußte, wird kein Sachverständiger bezweifeln, sobald sie einmal genannt ist.

Hier lag das zur Vergleichung zu stellende Mittel auch viel näher als im vorigen Fall; gleichwohl ist es versäumt worden, weil man einer einseitigen Richtung blind folgte und keine Unbefangenheit hatte.

Aus der Notwendigkeit, für ein gemißbilligtes Mittel das bessere anzugeben, ist die Art von Kritik entstanden, die fast allein gebraucht wird, nämlich sich mit der bloßen Angabe des vermeintlich besseren Verfahrens zu begnügen und den eigentlichen Beweis schuldig zu bleiben. Die Folge ist, daß nicht jedermann überzeugt wird, daß andere es ebenso machen, und daß dann Streit entsteht, der ohne allen Anhalt für das Räsonnement ist. Die ganze Kriegsliteratur strotzt von diesen Dingen.

Der Beweis, den wir fordern, ist überall nötig, wo der Vorzug des vorgeschlagenen Mittels nicht so evident ist, daß er keinen Zweifel zuläßt, und er besteht darin, daß jedes der beiden Mittel seiner Eigentümlichkeit nach untersucht und mit dem Zweck verglichen werde. Hat man die Sache so auf einfache Wahrheiten zurückgeführt, so muß der Streit endlich aufhören, oder er führt wenigstens zu neuen Resultaten, während bei der andern Art das pro et contra sich immer rein verzehrt.

Wollten wir z. B. uns nicht damit begnügen und in dem von uns zuletzt aufgestellten Fall beweisen, daß das unablässige Verfolgen Blüchers besser gewesen wäre als das Umkehren gegen Schwarzenberg, so würden wir uns auf folgende einfache Wahrheiten stützen:

1. Im allgemeinen ist es vorteilhafter, die Stöße in einer Richtung fortzusetzen, als die Kraft hin- und herzuwerfen, weil dieses Hin- und Herwerfen Zeitverlust mit sich bringt und weil da, wo die moralische Kraft schon durch bedeutende Verluste geschwächt ist, neue Erfolge leichter zu erhalten sind, man also auf diese Weise nicht einen Teil des erhaltenen Übergewichts unbenutzt läßt.

2. Weil Blücher, obgleich schwächer als Schwarzenberg, doch wegen seines Unternehmungsgeistes der Bedeutendere war, daß in ihm also mehr der Schwerpunkt lag, der das Übrige in seiner Richtung mit fortreißt.

3. Weil die Verluste, die Blücher erlitten hatte, einer Niederlage gleichzuachten und dadurch ein solches Übergewicht Bonapartes über ihn entstanden war, daß der Rückzug bis an den Rhein kaum zweifelhaft sein konnte, weil sich auf dieser Linie keine namhaften Verstärkungen befanden.

4. Weil kein anderer möglicher Erfolg sich so furchtbar ausgenommen, sich der Phantasie in einer solchen Riesengestalt gezeigt haben würde, dies aber bei einem unentschlossenen, zaghaften Armeekommando, wie das Schwarzenbergsche notorisch war, als eine große Hauptsache angesehen werden mußte. Was der Kronprinz von Württemberg bei Montereau, der Graf Wittgenstein bei Mormant eingebüßt, das mußte der Fürst Schwarzenberg ziemlich genau kennen; was hingegen Blücher auf seiner ganz abgesonderten und getrennten Linie von der Marne bis an den Rhein für Unglücksfälle erlebt hätte, würde ihm nur durch die Schneelawine des Gerüchts zugekommen sein. Die verzweiflungsvolle Richtung, welche Bonaparte Ende März auf Vitry nahm, um zu versuchen, was eine angedrohte strategische Umgehung für eine Wirkung auf die Verbündeten hervorbringen würde, war offenbar auf das Prinzip des Schreckens gegründet, aber unter ganz anderen Umständen, nachdem er bei Laon und Arcis gescheitert war, und Blücher sich mit 100000 Mann bei Schwarzenberg befand.

Es wird freilich Leute geben, die durch diese Gründe nicht überzeugt werden, aber sie werden uns wenigstens nicht erwidern können: »Indem Bonaparte durch sein Nachdringen gegen den Rhein die Basis Schwarzenbergs bedrohte, bedrohte Schwarzenberg Paris, also die Basis Bonapartes«; weil wir durch unsere Gründe oben beweisen wollten, daß Schwarzenberg nicht daran gedacht haben würde, auf Paris zu marschieren.

In dem von uns berührten Beispiel aus dem Feldzug von 1796 würden wir sagen: Bonaparte sah den Weg, welchen er einschlug, als den sichersten an, die Österreicher zu schlagen; wäre er das auch gewesen, so war doch der Zweck, welcher dadurch erreicht wurde, ein leerer Waffenruhm, der auf den Fall von Mantua kaum einen merklichen Einfluß haben konnte. Der Weg, welchen wir einschlagen, war in unseren Augen viel sicherer, um den Entsatz zu verhindern; aber wenn wir auch in dem Sinn des französischen Feldherrn ihn nicht dafür betrachten, sondern die Sicherheit des Erfolges als geringer ansehen wollten, so würde die Frage darauf zurückgeführt sein, daß in dem einen Falle ein mehr wahrscheinlicher, aber fast unbrauchbarer, also sehr geringer, in dem anderen ein nicht ganz wahrscheinlicher, aber viel größerer Erfolg in die Waagschale zu legen war. Stellt man die Sache auf diese Weise, so hätte die Kühnheit sich für die zweite Lösung erklären müssen, was, die Sache oberflächlich betrachtet, gerade umgekehrt war. Bonaparte hatte gewiß nicht die weniger kühne Absicht, und es ist nicht zu bezweifeln, daß er sich die Natur des Falles nicht bis zu dem Grade deutlich gemacht und die Folgen so übersehen hat, wie wir sie aus der Erfahrung kennengelernt haben.

Daß die Kritik sich bei der Betrachtung der Mittel oft auf die Kriegsgeschichte berufen muß, ist natürlich, denn in der Kriegskunst ist die Erfahrung mehr wert als alle philosophische Wahrheit. Aber dieser geschichtliche Beweis hat freilich seine eigenen Bedingungen, deren wir in einem besonderen Kapitel erwähnen werden, und leider sind diese Bedingungen so selten erfüllt, daß die historische Bezugnahme meistens nur dazu beiträgt, die Verwirrung der Begriffe noch größer zu machen.

Jetzt haben wir noch einen wichtigen Gegenstand zu betrachten, nämlich inwieweit es der Kritik gestattet oder selbst zur Pflicht gemacht ist, bei der Beurteilung eines einzelnen Falles von ihrer besseren Übersicht der Dinge und also auch von dem, was der Erfolg bewiesen hat, Gebrauch zu machen; oder wann und wo sie genötigt ist, von diesen Dingen zu abstrahieren, um sich ganz genau in die Lage des Handelnden zu versetzen.

Wenn die Kritik Lob und Tadel über den Handelnden aussprechen will, so muß sie allerdings suchen, sich genau in seinen Standpunkt zu versetzen, d. h. alles zusammenstellen, was er gewußt und was sein Handeln motiviert hat, dagegen von allem absehen, was der Handelnde nicht wissen konnte oder nicht wußte, also vor allen Dingen auch vom Erfolg. Allein das ist nur ein Ziel, nach dem man streben, was man aber nie ganz erreichen kann, denn niemals liegt der Stand der Dinge, von welchem eine Begebenheit ausgeht, genau so vor dem Auge der Kritik, wie er vor dem Auge des Handelnden lag. Eine Menge kleiner Umstände, die auf den Entschluß Einfluß haben konnten, sind verlorengegangen, und manches subjektive Motiv ist nie zur Sprache gekommen. Die letzteren lernt man nur aus den Memoiren der Handelnden oder ihnen sehr vertrauter Personen kennen, und in solchen Memoiren werden die Dinge oft in einer sehr breiten Manier behandelt, auch wohl absichtlich nicht aufrichtig erzählt. Es muß also der Kritik immer vieles abgehen, was dem Handelnden gegenwärtig war.

Von der anderen Seite ist es noch schwerer, daß sie von dem absehe, was sie zuviel weiß. Leicht ist dies nur in Beziehung auf alle zufälligen, d. h. in den Verhältnissen selbst nicht begründeten Umstände, die sich eingemischt haben, sehr schwer aber und nie vollkommen zu erreichen von allen wesentlichen Dingen.

Sprechen wir zuerst von dem Erfolg. Ist er nicht aus zufälligen Dingen hervorgegangen, so ist es fast unmöglich, daß seine Kenntnis nicht auf die Beurteilung der Dinge Einfluß habe, aus denen er hervorgegangen, denn wir sehen ja diese Dinge in seinem Licht und lernen sie zum Teil durch ihn erst ganz kennen und würdigen. Die Kriegsgeschichte ist mit allen ihren Erscheinungen für die Kritik selbst eine Quelle der Belehrung, und es ist ja natürlich, daß sie die Dinge mit eben dem Lichte beleuchte, was ihr aus der Betrachtung des Ganzen geworden ist. Müßte sie also in manchen Fällen die Absicht haben, durchaus davon abzusehen, so würde ihr das doch nie vollkommen gelingen.

Aber so verhält es sich nicht bloß mit dem Erfolg, also mit dem, was erst später eintritt, sondern auch mit dem schon Vorhandenen, also den Datis, welche das Handeln bestimmen. Die Kritik wird daran in den meisten Fällen mehr haben als der Handelnde, nur sollte man glauben, es sei leicht, davon ganz abzusehen, und doch ist es nicht so. Die Kenntnis der vorhergegangenen und gleichzeitigen Umstände beruht nämlich nicht bloß auf bestimmten Nachrichten, sondern auf einer großen Zahl von Vermutungen oder Voraussetzungen, ja es ist von den Nachrichten über nicht ganz zufällige Dinge fast keine, der nicht schon eine Voraussetzung oder Vermutung vorausgegangen wäre, und wodurch die gewisse Nachricht, wenn sie ausbleibt, vertreten wird. Nun ist es begreiflich, daß die spätere Kritik, welche alle vorhergegangenen und gleichzeitigen Umstände faktisch kennt, dadurch nicht bestochen werden sollte, wenn sie sich fragt, was sie in dem Augenblick des Handelns von den nicht bekannten Umständen für wahrscheinlich gehalten haben würde. Wir behaupten, daß hier eine vollkommene Abstraktion ebenso unmöglich ist wie bei dem Erfolg, und zwar aus denselben Gründen.

Wenn also die Kritik über einen einzelnen Akt des Handelns Lob oder Tadel aussprechen will, so wird es ihr immer nur bis auf einen gewissen Punkt gelingen, sich in die Stellung des Handelnden zu versetzen. In sehr vielen Fällen wird sie es bis auf einen für das praktische Bedürfnis genügenden Grad können; in manchen Fällen aber durchaus nicht, und das muß man nicht aus den Augen verlieren.

Aber es ist weder notwendig noch wünschenswert, daß die Kritik sich ganz mit dem Handelnden identifiziere. Im Kriege, wie überhaupt im kunstfertigen Handeln, wird eine ausgebildete natürliche Anlage gefordert, die man seine Virtuosität nennt. Diese kann groß und klein sein. In dem ersten Falle kann sie leicht die des Kritikers übersteigen; denn welcher Kritiker wollte behaupten, die Virtuosität eines Friedrich oder Bonaparte zu besitzen! Soll also die Kritik sich nicht jedes Ausspruchs über ein großes Talent enthalten, so muß es ihr gestattet sein, von dem Vorteile ihres größeren Horizontes Gebrauch zu machen. Die Kritik kann also einem großen Feldherrn die Lösung seiner Aufgabe nicht mit denselben Datis wie ein Rechenexempel nachrechnen, sondern sie muß, was in der höheren Tätigkeit seines Genies gegründet war, erst durch den Erfolg, durch das sichere Zutreffen der Erscheinungen bewundernd erkennen und den wesentlichen Zusammenhang, den der Blick des Genies ahnte, erst faktisch kennenlernen.

Aber für jede, auch die kleinste Virtuosität ist es nötig, daß die Kritik sich auf einem höheren Standpunkt befinde, damit sie, reich an objektiven Entscheidungsgründen, so wenig subjektiv als möglich sei, und ein beschränkter Geist des Kritikers sich nicht selbst zum Maßstabe mache.

Diese höhere Stellung der Kritik, dieses Lob und der Tadel nach einer völligen Einsicht der Sache hat auch an sich nichts, was unser Gefühl verletzt, sondern bekommt es erst dann, wenn der Kritiker sich persönlich hervordrängt und in einem Ton spricht, als wäre alle die Weisheit, die ihm durch die vollkommene Einsicht der Begebenheit gekommen ist, sein eigentümliches Talent. So grob dieser Betrug ist, so spielt ihn die Eitelkeit doch leicht, und es ist natürlich, daß er bei anderen Unwillen erregt. Noch öfter aber ist eine solche persönliche Überhebung gar nicht in der Absicht des Kritikers, wird aber, wenn er sich nicht ausdrücklich dagegen verwahrt, von dem übereilten Leser dafür genommen, und da entsteht denn auf der Stelle die Klage über Mangel an Beurteilungskraft.

Wenn also die Kritik einem Friedrich oder Bonaparte Fehler nachweist, so ist damit nicht gesagt, daß der, welcher die Kritik übt, sie nicht gemacht haben würde, er könnte sogar einräumen, daß er in der Stelle dieser Feldherren viel größere hätte machen können, sondern er erkennt diese Fehler aus dem Zusammenhange der Dinge und fordert von der Sagazität des Handelnden, daß er sie hätte sehen sollen.

Dies ist also ein Urteil durch den Zusammenhang der Dinge und also auch durch den Erfolg. Aber es gibt noch einen ganz anderen Eindruck des Erfolges auf dasselbe, nämlich wenn er ganz einfacherweise als Beweis für oder gegen die Richtigkeit einer Maßregel gebraucht wird. Dieses kann man das Urteil nach dem Erfolg nennen. Ein solches Urteil nun scheint auf den ersten Anblick ganz unbedingt verwerflich, und doch ist es wieder nicht so.

Als Bonaparte 1812 nach Moskau zog, kam alles darauf an ob er durch die Eroberung dieser Hauptstadt und das, was vorhergegangen war, den Kaiser Alexander zum Frieden bewegen würde, wie er ihn 1807 nach der Schlacht bei Friedland und den Kaiser Franz 1805 und 1809 nach den Schlachten von Austerlitz und Wagram dazu bewogen hatte; denn wenn er den Frieden in Moskau nicht erhielt, so blieb ihm nichts als das Umkehren, d. h. nichts als eine strategische Niederlage übrig. Wir wollen davon absehen, was Bonaparte getan hatte, um nach Moskau zu kommen, und ob dabei nicht schon vieles, wodurch dem Kaiser Alexander der Entschluß zum Frieden gegeben werden konnte, verfehlt war; wir wollen auch von den zerstörenden Umständen absehen, von denen der Rückzug begleitet war, und die ihre Ursache vielleicht noch in der Führung des ganzen Feldzuges hatten. Immer wird die Frage dieselbe bleiben, denn wieviel glänzender auch das Resultat des Feldzuges bis Moskau hätte sein können, es blieb doch immer ungewiß, ob der Kaiser Alexander dadurch in den Frieden hineingeschreckt werden würde, und wenn der Rückzug auch keine solche Vernichtungsprinzipien in sich getragen hätte, er konnte nie etwas anderes als eine große strategische Niederlage sein. Ging der Kaiser Alexander einen nachteiligen Frieden ein, so gehörte der Feldzug von 1812 in die Reihen der Feldzüge von Austerlitz, Friedland und Wagram. Aber auch diese Feldzüge hätten ohne den Frieden wahrscheinlich zu ähnlichen Katastrophen geführt. Welche Kraft, Geschicklichkeit und Weisheit also der Welteroberer auch angewendet haben mochte, diese letzte Frage an das Schicksal blieb überall dieselbe. Soll man nun die Feldzüge von 1805, 1807 und 1809 verwerfen und um des Feldzuges von 1812 wegen behaupten, sie wären alle ein Werk der Unklugheit, der Erfolg sei gegen die Natur der Dinge, und im Jahre 1812 hätte sich endlich die strategische Gerechtigkeit gegen das blinde Glück Luft gemacht? Das wäre eine sehr gezwungene Ansicht, ein tyrannisches Urteil, wofür man den Beweis bis zur Hälfte schuldig bleiben müßte, weil kein menschlicher Blick imstande ist, den Faden des notwendigen Zusammenhanges der Dinge bis zu dem Entschluß der besiegten Fürsten zu verfolgen.

Noch weniger kann man sagen, der Feldzug von 1812 verdiente eben den Erfolg wie die anderen, und, daß er ihn nicht hatte, liege in etwas Ungehörigem, denn man wird die Standhaftigkeit Alexanders nicht als etwas Ungehöriges betrachten können.

Was ist natürlicher, als zu sagen: in den Jahren 1805, 1807 und 1809 hat Bonaparte seine Gegner richtig beurteilt, im Jahre 1812 hat er sich geirrt; damals also hat er recht gehabt, diesmal unrecht, und zwar beides, weil es der Erfolg so lehrt.

Alles Handeln im Kriege ist, wie wir schon gesagt haben, nur auf wahrscheinliche, nicht auf gewisse Erfolge gerichtet; was an der Gewißheit fehlt, muß überall dem Schicksal oder Glück, wie man es nennen will, überlassen bleiben. Freilich kann man fordern, daß dies sowenig als möglich sei, aber nur in Beziehung auf den einzelnen Fall: nämlich, sowenig als in diesem einzelnen Fall möglich, nicht aber, daß man den Fall, wobei die Ungewißheit am geringsten ist, immer vorziehen müßte; das wäre ein ungeheurer Verstoß, wie das aus allen unseren theoretischen Ansichten hervorgehen wird. Es gibt Fälle, wo das höchste Wagen die höchste Weisheit ist.

In allem nun, was der Handelnde dem Schicksal überlassen muß, scheint sein persönliches Verdienst ganz aufzuhören und also auch seine Verantwortlichkeit; nichtsdestoweniger können wir uns eines inneren Beifalles nicht enthalten, sooft die Erwartung zutrifft, und wir fühlen, wenn sie fehlschlug, ein Mißbehagen des Verstandes, und weiter soll das Urteil von Recht und Unrecht auch nicht bedeuten, was wir aus dem bloßen Erfolg entnehmen, oder vielmehr, was wir in ihm finden.

Aber es ist nicht zu verkennen, daß das Wohlgefallen, welches unser Verstand am Zutreffen, das Mißfallen, was er am Verfehlen hat, doch auf dem dunklen Gefühle beruht, daß zwischen diesem, dem Glück zugeschriebenen Erfolg und dem Genius des Handelnden ein feiner, dem Auge des Geistes unsichtbarer Zusammenhang bestehe, der uns in der Voraussetzung Vergnügen macht. Was diese Ansicht beweist, ist, daß unser Anteil steigt, zu einem bestimmteren Gefühle wird, wenn das Treffen und Verfehlen sich bei demselben Handelnden oft wiederholt. So wird es begreiflich, wie das Glück im Kriege eine viel edlere Natur annimmt als das Glück im Spiel. Überall wo ein glücklicher Krieger unsere Interessen nicht anderweitig verletzt, werden wir ihn mit Vergnügen auf seiner Bahn begleiten.

Die Kritik wird also, nachdem sie alles, was in das Gebiet menschlicher Berechnung und Überzeugung gehört, abgewogen hat, für den Teil, wo der tiefe geheime Zusammenhang der Dinge sich nicht an sichtbaren Erscheinungen verkörpert, den Ausgang sprechen lassen und diesen leisen Spruch einer höheren Gesetzgebung auf der einen Seite vor dem Tumult roher Meinungen schützen, indem sie zugleich von der anderen Seite die plumpen Mißbräuche zurückweist, die von dieser höchsten Instanz gemacht werden können.

Dieser Ausspruch des Erfolges muß also überall erzeugen, was die menschliche Klugheit nicht ermitteln kann, und so werden es denn die geistigen Kräfte und Wirkungen hauptsächlich sein, für die er in Anspruch genommen wird, teils weil sie sich am wenigsten mit Zuverlässigkeit beurteilen lassen, teils weil sie dem Willen selbst so nahe liegen, daß sie ihn um so leichter bestimmen. Wo Furcht oder Mut den Entschluß fortreißen, da gibt es zwischen ihnen nichts Objektives mehr abzumachen, und folglich nichts, wo Klugheit und Berechnung dem wahrscheinlichen Erfolg noch einmal begegnen könnte.

Jetzt müssen wir uns noch einige Betrachtungen über das Instrument der Kritik erlauben, nämlich über die Sprache, deren sie sich bedient, weil diese dem Handeln im Kriege gewissermaßen zur Seite bleibt; denn die prüfende Kritik ist ja nichts als die Überlegung, welche dem Handeln vorhergehen soll. Wir halten es darum für etwas höchst Wesentliches, daß die Sprache der Kritik denselben Charakter habe, den das Überlegen im Kriege haben muß, sonst würde sie aufhören, praktisch zu sein und der Kritik keinen Eingang in das Leben verschaffen.

Wir haben in unserer Betrachtung über die Theorie der Kriegführung gesagt, daß sie den Geist der Führer im Kriege erziehen oder vielmehr bei seiner Erziehung leiten soll, daß sie nicht bestimmt ist, ihn mit positiven Lehren und Systemen auszurüsten, die er wie Instrumente des Geistes gebrauchen könnte. Ist aber im Kriege zur Beurteilung eines vorliegenden Falles niemals die Konstruktion wissenschaftlicher Hilfslinien notwendig oder auch nur zulässig, tritt die Wahrheit da nicht in systematischer Gestalt auf, wird sie nicht mittelbar, sondern unmittelbar durch den natürlichen Blick des Geistes gefunden, so muß es auch in der kritischen Betrachtung also sein.

Zwar haben wir gesehen, daß sie überall, wo es zu weitläuftig sein würde, die Natur der Dinge festzustellen, sich auf die in der Theorie davon ausgemachten Wahrheiten stützen muß. Allein so wie im Kriege der Handelnde diesen theoretischen Wahrheiten mehr gehorcht, indem er ihren Geist in den seinigen aufgenommen hat, als indem er sie wie ein äußeres steifes Gesetz betrachtet, so soll auch die Kritik sich ihrer nicht wie eines fremden Gesetzes oder einer algebraischen Formel bedienen, deren neue Wahrheit für die Anwendung gar nicht aufgeschlossen zu werden braucht, sondern sie soll diese Wahrheit selbst immer durchleuchten lassen, indem sie nur die genaueren und umständlicheren Beweise der Theorie überläßt. So vermeidet sie eine geheimnisvolle dunkle Sprache und bewegt sich in einfacher Rede, in einer lichten, d. h. immer sichtbaren Vorstellungsreihe fort.

Freilich wird dies nicht immer vollkommen zu erreichen, aber es muß das Streben der kritischen Darstellung sein. Sie muß zusammengesetzte Formen der Erkenntnis so wenig als möglich brauchen und nie sich der Konstruktion wissenschaftlicher Hilfslinien wie eines eigenen Wahrheitsapparates bedienen, sondern alles durch den natürlichen freien Blick des Geistes ausrichten.

Aber dieses fromme Bestreben, wenn wir uns den Ausdruck erlauben dürfen, ist leider bisher in den wenigsten kritischen Betrachtungen herrschend gewesen, die meisten sind vielmehr von einer gewissen Eitelkeit zum Ideenprunk fortgezogen worden.

Das erste Übel, worauf wir häufig stoßen, ist eine unbehilfliche, ganz unzulässige Anwendung gewisser einseitiger Systeme als eine förmliche Gesetzgebung. Aber es ist nie schwer, die Einseitigkeit eines solchen Systems zu zeigen, und das braucht man nur zu tun, um ein für allemal seinen richterlichen Spruch verworfen zu haben. Man hat es hier mit einem bestimmten Gegenstande zu tun, und da die Zahl möglicher Systeme am Ende doch nur klein sein kann, so sind sie an sich auch nur das kleinere Übel.

Viel größer ist der Nachteil, der in dem Hofstaat von Terminologien, Kunstausdrücken und Metaphern liegt, den die Systeme mit sich schleppen, und der wie loses Gesindel, wie der Troß eines Heeres, von seinem Prinzipal loslassend, sich überall umhertreibt. Wer unter den Kritikern sich nicht zu einem ganzen System erhebt, entweder weil ihm keins gefällt, oder weil er nicht so weit gekommen ist, eins ganz kennenzulernen, der will wenigstens ein Stückchen davon gelegentlich wie ein Lineal anlegen, um zu zeigen, wie fehlerhaft der Gang des Feldherrn war. Die meisten können gar nicht räsonieren, ohne ein solches Fragment wissenschaftlicher Kriegslehre hier und da als Stützpunkt zu brauchen. Die kleinsten dieser Fragmente, die in bloßen Kunstwörtern und Metaphern bestehen, sind oft nichts als Verschönerungsschnörkel der kritischen Erzählung. Nun ist es in der Natur der Sache, daß alle Terminologien und Kunstausdrücke, welche einem Systeme angehören, ihre Richtigkeit, wenn sie dieselbe wirklich hatten, verlieren, sobald sie, herausgerissen aus demselben, wie allgemeine Axiome gebraucht werden sollen oder wie kleine Wahrheitskristalle, die mehr Beweiskraft haben als die schlichte Rede.

So ist es denn gekommen, daß unsere theoretischen und kritischen Bücher statt einer schlichten, einfachen Überlegung, bei welcher der Autor wenigstens immer weiß, was er sagt, und der Leser, was er liest, wimmelnd voll sind von diesen Terminologien, die dunkle Kreuzpunkte bilden, an denen Leser und Autor voneinander abkommen. Aber sie sind oft noch etwas viel Schlimmeres; sie sind oft hohle Schalen ohne Kern. Der Autor selbst weiß nicht mehr deutlich, was er dabei denkt und beruhigt sich mit dunklen Vorstellungen, die ihm bei der einfachen Rede selbst nicht genügen würden.

Ein drittes Übel der Kritik ist der Mißbrauch historischer Beispiele und der Prunk mit Belesenheit. Was die Geschichte der Kriegskunst ist, darüber haben wir uns schon ausgesprochen, und wir werden unsere Ansicht über Beispiele und über die Kriegsgeschichte überhaupt noch in besonderen Kapiteln entwickeln. Ein Faktum, welches bloß im Fluge berührt wird, kann zur Vertretung der entgegengesetztesten Ansichten gebraucht werden, und drei oder vier, die aus den entferntesten Zeiten oder Ländern, aus den ungleichartigsten Verhältnissen herbeigeschleppt und zusammengehäuft werden, zerstreuen und verwirren das Urteil meistens, ohne die mindeste Beweiskraft zu haben; denn wenn sie bei Lichte betrachtet werden, so ist es meistens nur Plunder und die Absicht des Autors, mit Belesenheit zu prunken.

Was kann aber mit diesen dunklen, halbwahren, verworrenen, willkürlichen Vorstellungen für das praktische Leben gewonnen werden? So wenig, daß die Theorie vielmehr dadurch, solange sie besteht, ein wahrer Gegensatz der Praktik und nicht selten der Spott derer geworden ist, denen im Felde eine große Tüchtigkeit nicht abzusprechen war.

So hätte es aber unmöglich sein können, wenn sie in einfacher Rede und natürlicher Betrachtung der Gegenstände, welche die Kriegführung ausmachen, dasjenige festzustellen gesucht hätte, was sich feststellen läßt; wenn sie ohne falsche Ansprüche und ungehörigen Pomp wissenschaftlicher Formen und historischer Zusammenstellungen dicht bei der Sache geblieben und mit Leuten, die im Felde durch den natürlichen Blick ihres Geistes die Dinge leiten sollen, Hand in Hand gegangen wäre.

Sechstes Kapitel: Über Beispiele

Historische Beispiele machen alles klar und haben nebenher in Erfahrungswissenschaften die beste Beweiskraft. Mehr als irgendwo ist dies in der Kriegskunst der Fall. Der General Scharnhorst, welcher in seinem Taschenbuche über den eigentlichen Krieg am besten geschrieben hat, erklärt die historischen Beispiele für das Wichtigste in dieser Materie, und er macht einen bewunderungswürdigen Gebrauch davon. Hätte er den Krieg, in welchem er fiel, überlebt, so würde der vierte Teil seiner umgearbeiteten Artillerie uns einen noch schöneren Beweis gegeben haben, mit welchem Geist der Beobachtung und Belehrung er die Erfahrung durchdrang.

Aber ein solcher Gebrauch von historischen Beispielen wird nur selten von den theoretischen Schriftstellern gemacht, vielmehr ist die Art, wie sie sich derselben bedienen, meistens nur geeignet, den Verstand nicht allein unbefriedigt zu lassen, sondern sogar zu verletzen. Wir halten es daher für wichtig, den rechten Gebrauch und den Mißbrauch der Beispiele besonders ins Auge zu fassen.

Unstreitig gehören die der Kriegskunst zum Grunde liegenden Kenntnisse zu den Erfahrungswissenschaften; denn wenn sie auch größtenteils aus der Natur der Dinge hervorgehen, so muß man doch diese Natur meistens selbst erst durch die Erfahrung kennenlernen; außerdem aber wird die Anwendung von so vielen Umständen modifiziert, daß die Wirkungen nie aus der bloßen Natur des Mittels vollständig erkannt werden können.

Die Wirkung des Pulvers, dieses großen Agens für unsere kriegerische Tätigkeit, ist bloß durch die Erfahrung erkannt worden, und noch zu dieser Stunde ist man unaufhörlich durch Versuche beschäftigt, sie genauer zu erforschen. Daß eine eiserne Kugel, der man durch das Pulver eine Geschwindigkeit von 1000 Fuß in der Sekunde gegeben hat, alles zerschmettert, was sie von lebenden Wesen in ihrem Lauf berührt, versteht sich freilich von selbst, es bedarf dazu keiner Erfahrung; aber wie viel Hundert Nebenumstände bestimmen diese Wirkung genauer, die zum Teil nur durch die Erfahrung erkannt werden können. Und die physische Wirkung ist ja nicht die einzige, die wir zu beachten haben; die moralische ist es ja, welche wir suchen, und es gibt kein anderes Mittel, dieses kennen und schätzen zu lernen, als die Erfahrung. Im Mittelalter, als die Feuerwaffen eben erst erfunden waren, war die physische Wirkung der unvollkommenen Einrichtung wegen natürlich viel geringer als jetzt, ihre moralische war aber viel größer. Man muß die Standhaftigkeit eines jener Haufen, die Bonaparte in seinem Eroberungsdienst erzogen und angeführt hat, im stärksten und anhaltendsten Geschützfeuer gesehen haben, um sich einen Begriff davon zu machen, was eine in langer Übung der Gefahr gestählte Truppe leisten kann, die durch eine reiche Siegesfülle zu dem edlen Satze gelangt ist, sich selbst die höchsten Forderungen zu machen. In der bloßen Vorstellung würde man es nie glauben. Von der anderen Seite ist es eine bekannte Erfahrung, daß es noch heut in den europäischen Heeren Truppen gibt wie Tataren, Kosaken, Kroaten, deren Haufen durch ein paar Kanonenschüsse jedesmal zerstreut werden. Aber keine Erfahrungswissenschaft, und folglich auch nicht die Theorie der Kriegskunst, ist imstande, ihre Wahrheiten immer von den historischen Beweisen begleiten zu lassen; teils würde es schon der bloßen Weitläuftigkeit wegen unmöglich sein, teils würde es auch schwer sein, die Erfahrung in den einzelnen Erscheinungen nachzuweisen. Findet man im Kriege, daß irgendein Mittel sich einmal sehr wirksam gezeigt hat, so wird es wiederholt; einer macht es dem anderen nach, es wird förmlich Mode, und auf diese Weise kommt es, auf die Erfahrung gestützt, in den Gebrauch und nimmt seinen Platz in der Theorie ein, die dabei stehenbleibt, sich im allgemeinen auf die Erfahrung zu berufen, um seinen Ursprung anzudeuten, nicht aber, um es zu beweisen. Ganz anders ist es aber, wenn die Erfahrung gebraucht werden soll, um ein gebräuchliches Mittel zu verdrängen, ein zweifelhaftes festzustellen, oder ein neues einzuführen; dann müssen einzelne Beispiele aus der Geschichte zum Beweise aufgestellt werden.

Wenn man nun den Gebrauch eines historischen Beispiels näher betrachtet, so ergeben sich dafür vier leicht zu unterscheidende Gesichtspunkte.

Zuerst kann man dasselbe als eine bloße Erläuterung des Gedankens brauchen. Es ist nämlich bei jeder abstrakten Betrachtung sehr leicht, falsch oder auch gar nicht verstanden zu werden; wo der Autor dies fürchtet, dient ein historisches Beispiel dazu, dem Gedanken das fehlende Licht zu geben, und zu sichern, daß Autor und Leser beieinanderbleiben.

Zweitens kann es als eine Anwendung des Gedankens dienen, weil man bei einem Beispiel Gelegenheit hat, die Behandlung derjenigen kleineren Umstände zu zeigen, die bei dem allgemeinen Ausdruck des Gedankens nicht alle mit aufgefaßt werden konnten; denn darin besteht ja der Unterschied zwischen Theorie und Erfahrung. Diese beiden Fälle sind die des eigentlichen Beispiels; die beiden folgenden gehören zum historischen Beweis.

Drittens kann man sich nämlich auf ein historisches Faktum beziehen, um damit dasjenige, was man gesagt hat, zu belegen. Dies ist in allen Fällen hinreichend, wo man bloß die Möglichkeit einer Erscheinung oder Wirkung dartun will.

Endlich kann man viertens aus der umständlichen Darstellung eines historischen Ereignisses und aus der Zusammenstellung mehrerer irgendeine Lehre ziehen, die also in diesem Zeugnis selbst ihren waren Beweis findet.

Bei dem ersten Gebrauch kommt es meistens nur auf eine flüchtige Erwähnung des Falles an, weil man ihn nur einseitig benutzt. Es ist dabei selbst die historische Wahrheit eine Nebensache, ein erfundenes Beispiel könnte auch dienen; nur haben historische immer den Vorzug, praktischer zu sein und den Gedanken, welchen sie erläutern, dem praktischen Leben selbst näher zu führen.

Der zweite Gebrauch setzt eine umständlichere Darstellung des Falles voraus, nur ist die Richtigkeit dabei wieder Nebensache, und in dieser Beziehung dasselbe zu sagen, was wir vom ersten Fall gesagt haben.

Beim dritten Gebrauch reicht meistens die bloße Angabe eines unzweifelhaften Faktums hin. Wenn man die Behauptung aufstellt, daß verschanzte Stellungen unter gewissen Bedingungen ihren Zweck erfüllen können, so braucht man bloß die Stellung vom Bunzelwitz zu nennen, um diese Behauptung zu belegen.

Soll aber durch die Darstellung eines historischen Falles irgendeine allgemeine Wahrheit erwiesen werden, so muß dieser Fall in allem, was Bezug auf die Behauptung hat, genau und umständlich entwickelt, er muß gewissermaßen vor dem Auge des Lesers sorgfältig aufgebaut werden. Je weniger dies zu erreichen ist, um so schwächer wird der Beweis, und um so mehr wird es nötig, was dem einzelnen Fall an Beweiskraft abgeht, durch die Menge der Fälle zu ersetzen, weil man nämlich mit Recht voraussetzt, daß die näheren Umstände, die man nicht imstande gewesen ist, anzugeben, in einer gewissen Anzahl von Fällen ihren Wirkungen nach sich ausgeglichen haben werden.

Wenn man aus der Erfahrung beweisen will, daß die Reiterei besser hinter als neben dem Fußvolk steht, daß es bei nicht entscheidender Übermacht höchst gefährlich ist, den Gegner sowohl in einer Schlacht als auf dem Kriegstheater, also sowohl taktisch als strategisch mit getrennten Kolonnen weit zu umfassen, so reicht es in dem ersten Fall nicht hin, einige verlorene Schlachten zu nennen, wo die Reiterei auf den Flügeln, und ein paar gewonnene, wo sie hinter dem Fußvolk stand, und im letzten Fall reicht es nicht hin, an die Schlachten von Rivoli oder Wagram, an die Angriffe der Österreicher auf das italienische Kriegstheater 1796 oder der Franzosen auf das deutsche in eben diesem Feldzug zu erinnern, sondern es muß durch eine genaue Verfolgung aller Umstände und der einzelnen Vorgänge dargetan werden, auf welche Weise jene Formen der Stellung und des Angriffs wesentlich zum schlechten Ausgang beigetragen haben. Dann wird sich auch ergeben, inwieweit jene Formen verwerflich sind, welches notwendig mitbestimmt werden muß, weil eine ganz allgemeine Verwerfung jedenfalls die Wahrheit verletzen würde.

Daß man, wenn die umständliche Darlegung des Faktums nicht tunlich ist, die fehlende Beweiskraft durch die Anzahl der Beispiele ergänzen kann, haben wir schon eingeräumt, aber es ist nicht zu leugnen, daß dies ein gefährlicher Ausweg ist, der häufig gemißbraucht wird. Statt eines sehr umständlich dargelegten Falles begnügt man sich, drei oder vier bloß zu berühren, und gewinnt dadurch den Schein eines starken Beweises. Aber es gibt Gegenstände, wo ein ganzes Dutzend aufgeführter Fälle nichts beweist, wenn sie sich nämlich häufig wiederholen, und es also ebenso leicht ist, ein Dutzend Fälle mit engegengesetztem Ausgang dawider anzuführen. Wer uns ein Dutzend verlorene Schlachten nennt, in welchen der Geschlagene in getrennten Kolonnen angriff, dem können wir ein Dutzend gewonnene nennen, wo eben diese Ordnung gebraucht wurde. Man sieht, daß auf diese Weise kein Resultat zu erreichen wäre.

Wenn man sich diese verschiedenen Verhältnisse überlegt, so wird man einsehen, wie leicht mit Beispielen Mißbrauch getrieben werden kann.

Ein Ereignis, was nicht in allen seinen Teilen sorgfältig aufgebaut, sondern im Fluge berührt wird, ist wie ein aus zu großer Entfernung gesehener Gegenstand, an dem man die Lage seiner Teile nicht mehr unterscheiden kann, und der von allen Seiten ein gleiches Ansehen hat. Wirklich haben solche Beispiele den widersprechendsten Meinungen zur Stütze dienen müssen. Dem einen sind Dauns Feldzüge das Muster weiser Behutsamkeit, dem anderen der Zaghaftigkeit und Unentschlossenheit. Bonapartes Vordringen über die Norischen Alpen im Jahr 1797 kann als die herrlichste Entschlossenheit, aber auch als eine wahre Unbesonnenheit erscheinen; seine strategische Niederlage 1812 kann als eine Folge eines Übermaßes an Energie, aber auch eines Mangels daran vorgestellt werden. Alle diese Meinungen sind vorgekommen, und man begreift wohl, wie sie haben entstehen können, weil jede sich den Zusammenhang der Dinge anders gedacht hat. Gleichwohl können diese widersprechenden Meinungen nicht miteinander bestehen, und eine von beiden muß also notwendig unwahr sein.

So sehr viel Dank wir dem vortrefflichen Feuquières für die zahlreichen Beispiele schuldig sind, womit er seine Memoiren ausgerüstet hat, teils weil dadurch eine Menge historischer Nachrichten auf uns gekommen sind, die wir sonst entbehren würden, teils weil er dadurch zuerst eine sehr nützliche Annäherung theoretischer, d. i. abstrakter Vorstellungen an das praktische Leben bewirkt hat, insofern die angeführten Fälle als Erläuterung und nähere Bestimmung der theoretischen Behauptung zu betrachten sind, so hat er doch den Zweck, welchen er sich meistens dabei vorsetzt, die theoretischen Wahrheiten historisch zu erweisen, schwerlich bei einem unbefangenen Leser unserer Zeit erreichen können. Denn wenn er auch die Ereignisse zuweilen mit einiger Umständlichkeit erzählt, so fehlt doch viel daran, daß aus ihrem inneren Zusammenhang die gezogenen Folgerungen notwendig hervorgingen.

Aber das bloße Berühren von historischen Ereignissen hat noch den anderen Nachteil, daß ein Teil der Leser diese Ereignisse nicht hinreichend kennt oder im Gedächtnis hat, um sich auch nur das dabei denken zu können, was sich der Autor dabei gedacht hat, so daß für sie nichts übrig bleibt, als sich imponieren zu lassen oder ohne alle Überzeugung zu bleiben.

Es ist allerdings sehr schwer, geschichtliche Ereignisse so vor dem Auge des Lesers aufzubauen oder sich zutragen zu lassen, wie es nötig ist, wenn sie zu Beweisen gebraucht werden sollen, denn es fehlt den Schriftstellern meistens ebenso sehr an den Mitteln als an Zeit und Raum dazu; wir behaupten aber, daß, wo es auf die Feststellung einer neuen oder einer zweifelhaften Meinung ankommt, ein einziges gründlich dargestelltes Ereignis belehrender ist als zehn bloß berührte. Das Hauptübel dieser oberflächlichen Berührung liegt nicht darin, daß der Schriftsteller sie gibt mit dem falschen Anspruch, dadurch etwas beweisen zu wollen, sondern daß er diese Ereignisse nie ordentlich kennengelernt hat, und daß von dieser leichtsinnigen, oberflächlichen Behandlung der Geschichte dann hundert falsche Ansichten und theoretische Projektmachereien entstehen, die nie zum Vorschein gekommen wären, wenn der Schriftsteller die Verpflichtung hätte, alles, was er Neues zu Markt bringt und aus der Geschichte beweisen will, aus dem genauen Zusammenhang der Dinge unzweifelhaft hervorgehen zu lassen.

Hat man sich von diesen Schwierigkeiten bei dem Gebrauch historischer Beispiele und von der Notwendigkeit dieser Forderung überzeugt, so wird man auch der Meinung sein, daß die neueste Kriegsgeschichte immer das natürlichste Feld für die Wahl der Beispiele sein muß, insoweit sie nur hinreichend bekannt und bearbeitet ist. Nicht nur, daß entferntere Perioden anderen Verhältnissen angehören, also auch einer anderen Kriegführung, und daß also ihre Ereignisse weniger lehrreich und praktisch für uns sind, sondern es ist auch natürlich, daß die Kriegsgeschichte wie jede andere nach und nach eine Menge von kleinen Zügen und Umständen einbüßt, die sie anfangs noch aufzuweisen hatte, daß sie immer mehr an Farben und Leben verliert, wie ein ausgeblaßtes oder nachgedunkeltes Bild, so daß zuletzt nur noch die großen Massen und einzelne Züge zufällig stehen bleiben, die ein übertriebenes Gewicht dadurch bekommen.

Betrachten wir den Zustand der jetzigen Kriegführung, so müssen wir uns sagen, daß es hauptsächlich die Kriege bis zu dem Österreichischen Erbfolgekriege sind, welche wenigstens in der Bewaffung noch eine große Ähnlichkeit mit den heutigen haben, und die, wenn sich auch sonst in den großen und kleinen Verhältnissen viel geändert hat, den heutigen Kriegen doch noch nahe genug stehen, um viel Belehrung aus ihnen zu ziehen. Ganz anders ist es schon mit dem Spanischen Erbfolgekriege, wo das Feuergewehr noch nicht so ausgebildet und die Reiterei noch die Hauptwaffe war. Je weiter man zurückgeht, um so unbrauchbarer wird die Kriegsgeschichte, wie sie zugleich um so ärmer und dürftiger wird. Am unbrauchbarsten und dürftigsten muß die Geschichte der alten Völker sein.

Aber diese Unbrauchbarkeit ist freilich keine absolute, sondern sie bezieht sich nur auf Gegenstände, die von der Kenntnis der genaueren Umstände oder von denjenigen Dingen abhängen, in welchen sich die Kriegführung geändert hat. Wie wenig wir auch von dem Hergang der Schlachten der Schweizer gegen die Österreicher, Burgunder und Franzosen unterrichtet sind, so finden wir doch darin zuerst die Überlegenheit eines guten Fußvolkes gegen die beste Reiterei mit den stärksten Zügen ausgesprochen. Ein allgemeiner Blick auf die Zeit der Kondottieri lehrt uns, wie die ganze Kriegführung abhängig ist von dem Instrument, dessen man sich bedient, denn zu keiner anderen Zeit hatten die im Kriege gebrauchten Streitkräfte so den Charakter eines eigentümlichen Instruments und waren so von dem übrigen Staats- und Volksleben getrennt. Die merkwürdige Art, wie Rom im zweiten Punischen Kriege Karthago bekämpfte durch einen Angriff in Spanien und Afrika, während Hannibal in Italien noch unbesiegt war, kann ein Gegenstand sehr lehrreicher Betrachtung sein, weil die allgemeinen Verhältnisse der Staaten und Heere, worauf die Wirksamkeit dieses indirekten Widerstandes beruhte, noch hinreichend bekannt sind.

Aber je weiter die Dinge in das Einzelne hinuntersteigen und sich von den allgemeinsten Verhältnissen entfernen, um so weniger können wir die Muster und Erfahrungen in sehr entlegenen Zeiten aufsuchen, denn wir sind weder imstande, die entsprechenden Ereignisse gehörig zu würdigen, noch auf unsere ganz veränderten Mittel anzuwenden.

Aber es ist leider zu allen Zeiten die Neigung der Schriftsteller sehr groß gewesen, die Begebenheiten des Altertums im Munde zu führen. Wir wollen unentschieden lassen, wieviel Anteil Eitelkeit und Charlatanerie damit haben können, aber wir vermissen dabei meistens die redliche Absicht, das eifrige Bestreben, zu belehren und zu überzeugen, und können solche Allusionen dann nur für Zierate halten, womit Lücken und Fehler bedeckt werden sollen.

Unendlich groß wäre das Verdienst, den Krieg in lauter historischen Beispielen zu lehren, wie Feuquières sich vorgesetzt hatte: aber es wäre reichlich das Werk eines ganzen Menschenlebens, wenn man bedenkt, daß der, welcher es unternimmt, doch erst durch eine lange eigene Kriegserfahrung dazu ausgerüstet sein muß.

Wer, von inneren Kräften angeregt, sich ein solches Werk vorsetzen will, der rüste sich zu dem frommen Unternehmen mit Kräften wie zu einer weiten Pilgerfahrt aus. Er opfere Zeit und scheue keine Anstrengung, er fürchte keine zeitliche Gewalt und Größe, er erhebe sich über eigene Eitelkeit und falsche Scham, um nach dem Ausdruck des französischen Kodex die Wahrheit zu sagen, nichts als die Wahrheit, die ganze Wahrheit.

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